Ha! Da hab ich mich über die Länge von Kapitel 3 mit seinen 13000 Wörtern beschwert und nun hat dieses hier ungefähr 18000 (in der zensierten Version) und ich denke immer noch, dass vieles zu schnell geht (ihr werdet merken was ich meine). Das größte Problem könnte aber darin bestehen, dass die Leute jetzt davon ausgehen, dass jedes Kapitel nun so lang sein wird wie die letzten zwei, was aber nicht der Fall sein wird (andererseits dachte ich aber, dieses hier würde eher kurz ausfallen...)



The 2nd try
Chapter 4: love

+ Story: JimmyWolk
+ Übersetzung: Ch@d



Stille.

Das war genau das, was er hatte vermeiden wollen.

Aber hier waren sie nun; saßen sich im Wohnzimmer gegenüber und sprachen kein Wort.

Shinji war sich sicher, dass sie immer ungeduldiger wurde, auch wenn er sie nicht ansah. Er sah stattdessen nur auf seine zitternden Hände, während er zögernd nach den richtigen Worten suchte. Es war irgendwie lächerlich. Er war derjenige, der dieses Gespräch gewollt hatte. Er war derjenige, der endlich die Last der quälenden Ereignisse des Third Impact loswerden und mit jemand teilen wollte. Und nicht nur seine.

„Nun, wenn du doch nichts zu sagen hast, dann kann ich ja gehen!“, murmelte sie schließlich und stand in einer schnellen Bewegung von ihrem Stuhl auf.

Genau wie er es sich gedacht hatte.

Er seufzte als er plötzlich aufhörte, die Hände zu Fäusten zu ballen.
„Asuka...“, flüsterte er, aber es war genug um sie inne halten zu lassen. „W-wie war es...?“

Da war sie. So eine einfache Frage, und doch hatte er dafür so lange gebraucht.

Asuka ließ sich Zeit, bevor sie antwortete. Sie drehte sich nicht um.

„Als ob du das nicht wüsstest...“, war alles, was sie von sich gab.

„Also... warst du es...?“

„Ja, ich war es...“ Mit jedem Wort wuchs der Zorn in ihrer Stimme. „Natürlich war ich das!“ Sie wirbelte herum und in ihren Augen brannte ein Feuer, das selbst für sie ungewöhnlich war.
„Was ist los, Third? Dachtest du, nicht mal ich könnte so grausam zu dir sein? Du dachtest, diese Asuka wäre bloß eine Illusion und die Echte würde kommen und deinem erbärmlichem Selbst helfen, egal was mit ihr passiert war und ganz abgesehen davon, was du ihr angetan hast?! Zum Teufel, was hast du von mir erwartet? Wie... warum hätte ich dir helfen sollen? Wo war deine Hilfe als mein Geist vergewaltig wurde? Wo war deine Hilfe, als mich jeder verlassen hat? Wo war deine Hilfe als ich... als ich mich selbst aufgegeben hatte? Wo... wo war deine Hilfe, als ich mein Glück wieder fand, nur um es mir anschließend noch einmal wegnehmen zu lassen?“ Sie holte schluchzend Luft. „Wo war deine Hilfe, als ich zerfetzt und bei lebendigem Leib gefressen wurde?

„Ich weiß... es...“

„Komm mir jetzt ja nicht mit ‚Es tut mir leid!’“

„Verdammt was hast du von mir erwartet? Selbst wenn ich versucht hätte dir zu helfen, hättest du mich nie gelassen! Ich.. Ich...“ Die Worte blieben aus, als er sah wie das Feuer in ihren Augen einem eisigen Blick wich.

„Seltsam...“, flüsterte sie gleichgültig. „Du hast selbst gesagt, dass ich genauso bin wie du. Und doch verstehst du mich, selbst nach all dem, noch immer nicht...“

Als er diese Worte wieder erkannte, zuckte er zusammen. Das war eines der Dinge gewesen, die seine letzten Hoffnungen zunichte gemacht hatte.
Sie hatte ihm vorgeworfen, er würde sie nie verstehen können; dass es arrogant von ihm wäre, ernsthaft zu glauben, er könnte sie verstehen und ihr helfen. Er hatte entgegnet, er könnte sie nie verstehen, wenn sie nicht mit ihm reden würde. Aber er hatte es versucht...

Hatte er?

Musste sie ihm wirklich alles sagen, wenn er sie verstehen wollte? Hätte er es wirklich versucht, sollte er dann nicht in der Lage gewesen sein zu sehen, was sie bedrückte, ohne jedes Detail zu kennen? Schließlich hatte er es gesehen...

„Ich denke, ich verstehe...“, antwortete er schließlich. „Dein Herz ist genauso zerbrechlich wie meines. Aber anstatt es vor anderen zu verstecken und wegzuschließen, hast du alle erschreckt und verjagt, bevor sie nahe genug kommen konnten um es zu berühren. Aber in Wahrheit hast du nie alles gehasst, wie du allen weiß machen wolltest.“

„Und da liegst du falsch!“, schoss sie zurück. „Ich habe alles gehasst. Ich habe die First gehasst, weil sie von jedem bevorzugt wurde. Ich habe Misato gehasst, weil sie mir Kaji weggenommen hat. Ich habe dich gehasst, weil du mich übertroffen hast. Ich habe NERV gehasst, weil sie mich aufgegeben haben. Ich habe EVA gehasst, weil er mich nicht mehr akzeptiert hat. Ich habe Mama, Papa... jeden gehasst, weil sie mich verlassen haben! Aber am meisten habe ich mich selbst gehasst, weil ich in all dem versagt habe, was mich ausgemacht hat. Weil ich so schwach war. Ich habe mich gehasst, weil ich es hasste so abhängig von all dem zu sein, wofür ich so hart gearbeitet und gelebt habe. Ich habe mich gehasst, weil ich... so fühlte für...,“

Sie hob den Kopf und starrte ihn mit zitternden Händen an. Bevor sie wieder ihren Blick nach unten richtete.

„Hast du eine Ahnung wie es sich anfühlt, wenn du das hasst, was du eigentlich lieben solltest und liebst, was du hassen solltest? Dir wird schlecht!“

Shinjis Augen weiteten sich. ‚ „Mir ist schlecht...“

„Aber ich will mich nie wieder schlecht fühlen! Ich will mich nicht mehr selbst hassen müssen! Aber ich... kann es einfach nicht!“

„Du... musst nicht...“

„SEI RUHIG!“, schrie sie und hielt sich die Ohren zu. „Bitte...sei einfach... ruhig! Du weißt es selbst! Genau wie ich es dir gesagt habe! Du kannst dich ja auch nicht leiden! Du weißt wie dass ist, wenn man sich selbst nicht leiden kann, dann kann man auch sonst niemand mögen. Und wenn man sonst niemand mag, wie soll man lernen sich selbst zu mögen? Es... es ist ein Teufelskreis!“
Sie atmete sehr unregelmäßig. Shinji war wirklich verängstigt vom fast wahnsinnigen Blick in ihren Augen. „Aber vielleicht... vielleicht, wenn du das für mich tun würdest... Wenn du mich hassen würdest, dann musste ich mich nicht mehr hassen. Oder zumindest hätte ich dann einen guten Grund dich zu hassen! Komm schon Shinji! Du hast mich da drinnen gehasst, als du mich getötet hast! Du kannst mich auch hier hassen!“

Der geschockte Junge wusste nicht, was er tun sollte. Tränen der Verzweiflung stiegen ihm in die Augen. Das lief nicht, wie er es erwartet hatte, nicht im geringsten. Er wollte endlich Einsicht erlangen, was mit ihnen während des Third Impact passiert war. Er wollte die Dinge zwischen ihnen klarstellen, so dass sie zumindest friedlich miteinander leben konnten anstatt mehr oder weniger nur nebeneinander zu existieren und diesen Themen aus dem Weg zu gehen, während ihre aufgebürdeten Geheimnisse weiterhin auf ihren Schultern lasten würden.

Aber wenn er jetzt nichts unternehmen würde, würde alles auseinanderfallen. Sie würden sich immer weiter von einander entfernen, nur für sich selbst leben und vielleicht sogar sich am Ende gegenseitig verlassen.

Dann wären sie wirklich alleine. Und irgendwie zweifelte er, dass sie das wirklich wollte. Vielleicht war das der Grund warum sie dieses Gespräch von Anfang an vermeiden wollte; weil sie diesen Ausgang befürchtete. Er konnte es nicht so geschehen lassen. Falls es einen richtigen Zeitpunkt gab mit den alten Angewohnheiten abzuschließen – ihr zu zeigen, dass er für sie da wäre – dann war es jetzt.

So entschlossen wie er konnte, stand er auf.

„Du hast recht, ich konnte mich selbst nie leiden. Meine Untätigkeit hat meinen besten Freund zu einem Krüppel gemacht! Ich war nicht für die Leute da, die mich gebraucht hätten! Ich habe den einzigen getötet, der mir gesagt hat, ... dass ich geliebt wurde! Was ich dir angetan habe war... unverzeihlich. Ganz zu schweigen, dass die gesamte Menschheit wegen mir fort ist. Ich wollte nur sterben, um dieser Welt der Schmerzen zu entkommen...“ Er schluckte den Klos, den er in seinem Hals hatte und sah schließlich wieder zu ihr hoch.
„Aber ich habe etwas gelernt, Asuka. Auch wenn du dich selbst hasst, kannst du hier glücklich werden. Ich meine wirklich glücklich. Aber dafür musst du die anderen akzeptieren und den Schmerz, den sie dir bereiten können. Vielleicht... wenn du mich lassen würdest... könnte ich...“

„Ich will keine Hilfe von dir!“, keifte sie, zuckte aber sofort danach zusammen. „Ich werde immer alleine sein.“

„Das musst du nicht! Wenn du dich... mir öffnen würdest. Sonst wirst du dich nur selbst verletzen...“ Er ging einen Schritt auf sie zu, aber sie wich im Gegenzug zurück.

„Hass' mich, Shinji! Du kannst mir nicht helfen!“

„Das... das ist nicht wahr! Asuka, bitte! Du.. du hattest nie vor irgendjemandem angst. Ich weiß ich bin der letzte, von dem man Hilfe erwarten sollte. Jeder könnte das, und wahrscheinlich auch noch viel besser.“

„Shinji...“, stöhnte sie leise. Sie wich weiterhin bei jedem Versuch von ihm ihr näher zu kommen zurück.

„Ich weiß das wird nicht einfach, aber...“

„Hass’ mich Shinji...“ Sie blieb plötzlich stehen als sie merkte, dass der Couchtisch hinter ihr im Weg stand. „hass’ mich einfach nur...“

„Aber wir sind die Einzigen die noch da sind. Wir sind alles was wir haben. Wir sind die Einzigen, die uns helfen können.“

„Komm mir nicht zu nahe!“ schrie Asuka schon fast hysterisch, als er zögerlich die Hand nach ihr ausstreckte. Als sie ihn wegstoßen wollte, stolperte sie jedoch rücklings über den Tisch und riss die Vase die darauf gestanden hatte mit.
Für ein paar Sekunden lag Asuka da, in einer Pfütze, die vom Inhalt der Vase kam. Es durchnässte einen Teil ihrer Kleidung, aber es schien sie nicht zu kümmern.

„Hass’ mich Shinji...“ murmelte sie wieder, als sie langsam wieder aufstand, wobei sie sich am Tisch stützte. „Hass’ mich... hass’ mich...“ Sie stand, schaute aber weiter nach unten.

Dann überkam sie die Wut.

„HASS’ MICH!“ In ihrem Zorn griff sie nach dem Tisch und schleuderte ihn beiseite.
„VERLASS’ MICH!“ Die Vase verfehlte ihn nur um ein paar Zentimeter und zersplitterte an der Wand hinter ihm.
„TÖTE MICH!“

Danach wurde sie Still. Sie schaute nicht hoch. Sie stand einfach nur da und atmete schwer nach ihrem Ausbruch.

„Nein...“

In dem Moment, als er es sagte, stockte ihr Atem. Sie war völlig ruhig für eine Sekunde, als ob sie seine Antwort sacken lassen würde.

Ein einfaches Flüstern. Nicht mehr war es gewesen. Alles was er antworten würde.

Doch es war mehr als genug, um den Rest ihres klaren Verstands auszuschalten und veranlasste sie zu einer eher instinktiven und emotionalen Reaktion.

Bevor er reagieren konnte kam sie auf ihn zugestürmt. Sie schlang ihre zitternden Hände um seinen Hals, gefolgt von ihren Armen, bewegte sie diese ein wenig, um sich in eine engere Umarmung zu ziehen.

Shinji war sich nicht sicher, was er tun sollte. So sehr er sie auch trösten wollte, er hatte keine Ahnung wie. Er konnte nie jemanden beruhigen. Außerdem war das hier Asuka. Die gleiche Asuka, die ihn sogar angeschrieen hatte, wenn er sie nur ansah.
Aber als er flüchtig nach unten schaute und sie an schluchzend an seine Schulter gelehnt sah, merkte er, dass das nicht die gleiche wilde und viel zu stolze Asuka war, die er kannte. Das war auch nicht die stoische, leblose Asuka, die er zuletzt gesehen hatte, nachdem ihre schützenden Mauern in einem Schlag von der Attacke des fünfzehnten Engels zerschmettert wurden.

Das war das zerbrechlich Kind, das sich nach Trost sehnte. Das schließlich befreit wurde, nachdem es so lange in ihrem Unterbewusstsein weggeschlossen war. Das sich nur im Schlaf zeigte, wie er es in der letzten Nacht ihres Synchron-Trainings gesehen hatte.

Zögerlich hob er seine Arme und legte sie sanft auf ihren Rücken. Und nahm sie so in eine sehr leichte Umarmung.

„Gibst du mir...“, schniefte sie kaum hörbar, „dein Versprechen...?“

„Versprechen?“

„Nicht... zu gehen...“

Irgendwie davon überrascht, nickte er, auch wenn sie es nicht sehen konnte. „Ich .. ich verspreche es...“

Er hatte erwartet, dass sie sich beruhigen würde, aber stattdessen zog sie sich noch näher an ihn heran.

„Verdammt!“ Sie schluchzte. „Sieh... sieh nur was du angerichtet hast! Ich weine wieder. Ich will nicht weinen. Ich will nicht so schwach sein.“

Schwach? War es das, wovor sie sich fürchtete? Schwach zu wirken, wenn sie diese Seite von sich zeigte?
Aber wie sollte er ihr sagen, dass sie immer viel stärker sein würde, als er es jemals könnte. Dass es ihm egal wäre. Ohne dass es dabei wie ein schwacher unehrlicher Versuch sie zu beruhigen klingen zu lassen.

„I-ich denke es braucht viel Stärke seine Schwäche zu zeigen...“

Sie gab ein gedämpftes Lachen von sich.
„Du weißt, dass sich das wie absoluter Müll anhört...“, murmelte sie in seine Schulter.

„Es tut mit Leid. Ich... ich bin einfach nicht besonders gut darin, Leute zu trösten.“

Sie schwieg einen Moment und ließ ihren Kopf auf seiner Schulter liegen. „Vielleicht kannst du es besser, als du denkst...“

„Huh? Aber...“

„Shh... nur... nur... shh...“

Also blieb er still. Alles was er tat, war sie zu halten, als er ihre Tränen durch seine Kleider bemerkte. Sie ‚nur’ halten? Es kam ihm wie ein Witz vor. Hier war er: der sanfte, zurückhaltende Junge, der jedem den Tod wünschte, damit er nicht mehr verletzt werden könnte, tröstete das hitzige, willensstarke Mädchen, das eher gestorben wäre, als um Hilfe zu bitten – und das nur indem er sie in seinen Armen hielt...

Er bemerkte, dass sie vor einiger Zeit aufgehört hatte zu weinen. Das was daran merkwürdig war, war dass sie noch immer nicht losgelassen hatte.

„Asuka?“, fragte er unsicher.

Keine Antwort. Alles was er bemerkte, waren die kleinen, rhythmischen Bewegungen ihres Körpers, die sie beim atmen machte.

„Asuka?“, flüsterte er erneut, als er seinen Kopf ein Stück nach hinten legte, um sie anzusehen.

Sie ist eingeschlafen?’, wunderte er sich. Ein schwaches Lächeln war auf seinen Lippen zu sehen als er ihr Gesicht betrachtete. Sie sah so unschuldig aus, so verletzbar. Erst zögernd hob er langsam seine Hand zu ihrer Wange und wischte ihr zärtlich den Rest der Tränen weg.

Plötzlich traf ihn ein Gedanke. Er würde nicht die ganze Nacht hier stehen bleiben können und sie halten bis sie aufwachte. Entgegen dem was sie immer sagte, war er nicht dumm. Er wusste, dass er nicht die Kraft hatte sie in ihr Zimmer zu tragen und dass er sie nur aufwecken würde, wenn er einen nutzlosen Versuch starten würde es doch zu tun. Nervös schaute er sich um bis sein Blick auf das Sofa fiel. Da dies scheinbar die beste Lösung war, drückte er sie ein wenig fester an sich und hob sie vorsichtig hoch. Die Röte in seinem Gesicht wurde deutlicher, als ihr Gewicht (und vor allem ihre obere Körperhälfte) nun komplett auf ihm lastete.

Ein wenig ungeschickt schwankend schaffte er es sie auf das Sofa zu befördern, ohne ihren Schlaf zu stören. Rücksichtsvoll legte er sie hin und benutzte eine der zusammengelegten Wolldecken als Kissen und deckte sie mit einer weiteren zu.

Sie hat recht’, dachte er, als er ihr schlafendes Gesicht betrachtete. ‚Die Dinge werden sich hiernach ändern. Aber hoffentlich zum besseren...

Mit diesem Gedanken ging er aus dem Zimmer und ließ sie mit ihren Träumen zurück...



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SCHMERZ!
NIEDERLAGE!
NEIN!
HOFFNUNGSLOS!
NEIN!
TÖTEN!
TÖTEN!

TÖTEN!





Stille...

Dunkelheit...

Kälte...



Da war nichts außer ihr selbst und dem Klappstuhl, auf dem sie saß.

„Hallo?“, rief sie in die Leere. „Ist jemand hier?“

Keine Antwort...

„Bin ich... tot?“

Tot?“, kam eine Stimme scheinbar aus dem Nichts. Sie wunderte sich nicht einmal darüber.
Tod...
Stirb...
...mit mir!

Szenen tauchten aus dem Nichts auf: ihr Vater und ihre Stiefmutter redeten über sie; ihre Mutter redete mit ihrer Puppe; ihre Mutter wollte, dass sie gemeinsam sterben; Ihre Mutter an der Decke hängend... tot... und lächelnd...

„Sie sah so glücklich aus“, erinnerte sich Asuka, als sie schmerzhaften Erinnerungen wieder verschwanden. „Aber ich habe damals ihr Gesicht gehasst.
Ich will nicht sterben“, wiederholte sie ihre Überzeugung. „Ich will nicht verschwinden. Ich mag keine Jungs“, sprach sie monoton weiter, und fühlte sich plötzlich frei alles loszuwerden, was ihr so lange auf der Seele gelegen hatte. „Ich mag Papa und Mama nicht. Ich mag niemand. Niemand beschützt mich. Niemand will bei mir sein.“

Was wünscht sie sich?

„Deshalb lebe ich allein. Aber ich will das nicht...“ Sie ließ den Kopf hängen, als die Gefühle sie überwältigten. „Es ist zu schmerzhaft... ich will nicht alleine sein... ich will nicht alleine sein!“

Was will sie?

„Ich will nicht alleine sein...“, wiederholte sie.

Sie muss nicht mehr alleine sein.

„Aber jeder hat mich verlassen...“

Sie muss nur ihre Hand nach ihnen ausstrecken.

„Wer...?“

Das Bild eines lächelnden, unrasierten Mannes mit braunen Haaren und einem Pferdeschwanz tauchte auf.

„Kaji? Er hat nicht mehr auf die Anrufe reagiert. Shinji sagte er wäre tot. Er wollte sowieso lieber mit Misato zusammen sein.“

Der Mann wurde von einer fröhlich grinsenden, lila-haarigen Frau ersetzt.

„Misato? Sie hat sich nie wirklich gekümmert. Für sie war es nur ein Job. Sie hat mich ja nur bei sich aufgenommen, als ich mit ihrem Schatz Shinji synchronisieren sollte. Sie wäre nie der Freund gewesen, den ich gebraucht hätte.“

Das Bild der Frau verschwand und anstelle dessen tauchte da das eines braunhaarigen Mädchens mit zwei Zöpfen und einer Schuluniform auf, das sie scheinbar fröhlich grüßte.

„Hikari? Sie ist nett, aber das ist alles. Manchmal gibt sie mir sogar das Gefühle nur höflich zu sein, weil sie mich bemitleidet. Sie kann nicht verstehen was ich tue. Was ich durchmache. Die einzigen, die das könnten sind diese verdammte First und...“

Das Bild verschwand wieder und wurde von dem eines braunhaarigen Teenagers ersetzt. Er lächelte nicht. Stattdessen sah er etwas vor sich mit einem traurigen Blick in den Augen an.

„Dummkopf Shinji! Er kümmert sich einen Dreck um mich! Er war niemals da für mich, als ich ihn gebraucht habe. Er will von allen nur, dass sie nett zu ihm sind. Er ist immer mit seinen dummen Freunden zusammen. Er geht immer zu Misato. Lacht immer mit der First! Er wird von allen bevorzugt! Deshalb will er jeden lieber als mich...“

Die Dunkelheit um sie und seine unbewegliche Form herum wurde plötzlich von der Umgebung eines Krankenhauszimmers ersetzt. Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie merkte, dass sein sorgenvoller und trauriger Blick auf der Patientin zwischen ihnen ruhte. Ihr selbst.

Sie konnte sich nicht an diese Situation erinnern. Das war nicht ihre Erinnerung. Was war das? Das muss in der Zeit gewesen sein, bevor sie in EVA-02 aufwachte...

Warum ist er hier...?’, wunderte sie sich ungläubig. ‚Er... kam um mich zu besuchen...?

Dann war die Starre vorbei. Die Maschinen nahmen ihre Tätigkeit wieder auf, piepsend und summend.

„Misato und Ayanami machen mir Angst“, begann Shinji plötzlich. „Hilf mir. Hilf mir, Asuka.“

Als die einzige Antwort, die er bekam, die Bewegungen ihres Atmens waren, fing er an sie wachzurütteln. Er rief einige Male ihren Namen. Flehte sie an aufzuwachen. Ihre Augen zu öffnen. Schließlich brach er, leise schluchzend, zusammen. „Hilf mir... hilf mir... nenn mich einen Idioten, wie du es immer tust...“

Asuka wusste nicht, was sie davon halten sollte, als sie ihm zusah, wie er ihr anderes Ich rüttelte und sie anbettelte aufzuwachen. Ein Teil von ihr konnte nicht glauben wie sehr und wie ehrlich er sie anflehte bei ihm zu sein. Dass er mit ihr zusammen sein wollte.
Ein anderer Teil von ihr wollte nur schreien, dass sie Recht hatte, dass sie offensichtlich nur die absolut Letzte auf seiner Liste war. Dass sie nur seine letzte Rettung war, weil ihn jeder sonst im Stich gelassen hatte.

Dieser letzte Teil von ihr wuchs nur umso mehr bei dem was folgte: Mit einem letzten Ruck drehte sich nicht nur ihr bewusstloser Körper, sondern auch ihr Krankenhaus-Kittel öffnete sich und gab den Blick auf ihre Brüste und fast ihren ganzen Körper frei. Seine Augen veränderten sich irgendwie. Sie bekamen einen Ausdruck voll von Wahnsinn und Begierde und doch so erschreckend hohl. Er atmete tief und ungleichmäßig. Er nahm nie seine Augen von dem leblosen Körper, auch nicht, als er rückwärts zur Tür ging. Aber anstelle zu gehen schloss er ab. Seine Hand wanderte langsam zu seiner Hose.

„Was... was macht er da?“ Die Augen weit aufgerissen vor Schreck und Ekel, bevor sich ihr Ausdruck in einen aus Schmerz und hass wandelte. „Also das ist alles, was ich für dich bin?“

Er hatte gelogen! Er brauchte sie nicht. Das war alles, was er wollte! Er hatte immer gelogen! Vielleicht war sogar sein schwächliches, verlegenes Auftreten auch nur eine Lüge gewesen.

Sie wollte das Ende dieser abstoßenden Szene nicht sehen und drehte sich um. Wieder verschwand alles.

Die ganze Zeit hatte er sie angelogen und sie zum Narren gehalten.

So war es immer, nicht wahr? Immer, wenn sie anfing jemandem zu trauen, wurde sie verraten und wurde am Ende verlassen.

Sie spürte, wie der Ärger in ihr wuchs und wuchs, je länger sie darüber nachdachte. Wie konnte sie nur glauben, dass er anders wäre? Hatte sie nicht schon immer gewusst, das er ein Perversling war?

Da war er nun. Wahrscheinlich machte er sich gerade Fantasien von ihnen. Sie hielt es nicht mehr aus.

„Mir wird schlecht, wenn ich dich nur ansehe!“, keifte sie mit all dem Hass den sie aufbringen konnte.

„Weil ich genauso bin wie du...?“

Was sollte das bedeuten? Panik stieg in ihr auf. Konnte er in ihren Geist gesehen habe, wie sie es bei ihm aus Versehen getan hatte? Konnte er ihre am meisten verborgenen Geheimnisse ihrer Vergangenheit kennen? Genau wie dieser Engel...

Oder dachte er wirklich, dass er sie verstehen könnte? Niemand konnte das! Wie konnte er es sich anmaßen das zu denken, dass er von allen der war, der sie verstand, wenn... wenn sie es selbst nicht konnte?

Nein! Er konnte es nicht! Jemand, der sie verstehen würde, würde nicht vor ihr zurückschrecken. Jemand, der sie verstehen würde, würde sich nicht darum kümmern, ob sie ihn verjagte, wenn es offensichtlich war, dass sie es nicht wollte. Jemand, der sie verstehen würde, würde für sie da sein, sie halten.

Es tauchten wieder Szenen auf. Etwas übers... Küssen. Der Moment, bevor sie sich geküsst haben!
Warum war sie nicht überrascht, dass er zu dieser Szene kam? Höchst wahrscheinlich hatte er diesen schwachen Moment von ihr oft für sein krankes Vergnügen genutzt! Nicht diesmal...

„Du verstehst gar nichts!“, warf sie ihm an den Kopf. „Komm mir nicht zu nahe!“

„Ich ver...“

Lügner!
„Nein, das tust du nicht, du Idiot!“

Ihr schneller Tritt ließ ihn zusammen zucken, aber er bewegte sich nicht.

„Du denkst du kannst mich verstehen?“, machte sie mit ihrem verbalen Angriff weiter. „Du denkst du kannst mir helfen? Das ist so arrogant von dir! Du wirst mich nie verstehen!“

„Wie sollte ich das auch?“, unterbrach er sie plötzlich. „Du erzählst mir nie etwas! Wie könnte ich dich verstehen? Es ist unmöglich!“

„Ikari, hast du dich bemüht zu verstehen?“

Eine andere Stimme. Firsts Stimme! Und von Allen war ausgerechnet sie auf ihrer Seite?
Nein! Wahrscheinlich hatte er ihr die selben Lügen erzählt und jetzt trafen sie sich alle in diesem... Zug?
Asuka bemerkte die Szenenwechsel kaum noch.

„Das habe ich...“

Die Antwort des Jungen zog wieder ihren Zorn auf ihn.

„Idiot!“, spuckte sie und baute sich direkt vor ihm auf, wodurch er dazu gezwungen wurde sie anzusehen. „Ich weiß was du getan hast! Komm schon mach es so wie immer! Ich schau dir dabei zu.“
Natürlich würde er sich nicht trauen, wenn sie bei Bewusstsein wäre und vor ihm stehen würde. Ein erbärmlicher Feigling, alles in allem, der vor seinen Problemen davon läuft. Auf der Suche nach Hilfe... würde er zu jedem gehen.
„Wenn ich dich nicht ganz für mich haben kann, dann will ich dich gar nicht...“ Das kam sogar für sie überraschend. Wollte sie wirklich mit ihm zusammen sein? Sie konnte es nicht sagen. Nicht mehr.

„Warum kannst du dann nicht nett zu mir sein?“

Asuka spürte den Zorn in ihr wieder aufsteigen. Das war immer so, oder? Immer „Seid nett zu mir!“ Was war mit ihr?

Wieder ein Szenenwechsel. Sie waren in der Küche ihrer Wohnung. Es erinnerte sie irgendwie an eine gewisse Zeit nachdem der Engel ihren Geist vergewaltigt hatte und bevor sie weggelaufen war.

„Ich möchte dir helfen, und immer mit dir zusammen sein!“, sagte Shinji, als er um den Stuhl lief, auf dem sie saß.

Da war er wieder. Warum konnte er sie nicht einfach die Klappe halten und sie alleine lassen? Das wäre nicht so schmerzhaft wie seine Lügen und die sinnlosen Versuche sie zu täuschen.
„Dann tu gar nichts. Und komm mir nicht zu nahe! Du tust mir doch nur weh!“

„Asuka hilf mir“, flehte er. „Niemand außer dir kann mir helfen!“

„Lügner.“ Das war es. Sie konnte seine Ausreden und Lügen nicht mehr hören. Gewillt, das ein für alle Mal klarzustellen, stand sie auf. Er schreckte zurück, aber sie folgte ihm um den Küchen Tisch. „Dir ist jeder recht! Vor Misato und First hast du Angst! Vor deinem Vater und deiner Mutter hast du Angst!“

„Asuka...“

„Du benutzt mich als Zuflucht! Weil es schön einfach ist nicht verletzt zu werden!“

„Asuka, hilf mir...“

„Du hast nie jemanden geliebt!“ Sie verpasste ihm einen kräftigen Stoß. Während er fiel, stieß er mit dem Arm die Kaffemaschine um, wodurch sich der Inhalt auf dem Boden verteilte. „Du bist alles was du hast! Aber du hast nie gelernt dich selbst zu lieben!“

Als er in die Pfütze fiel und sich jämmerlich auf dem Boden krümmte kam ihr nur ein Wort in den Sinn. „Erbärmlich...“

„Helft mir... irgendwer... irgendjemand, helft mir...“ Nur langsam stand er auf.
„Helft mir... helft mir... helft mir!“ Ohne Vorwarnung warf er den Tisch beiseite.
Also fing er an zu Verzweifeln?
„Verlasst mich nicht!“ Er nahm einen Stuhl und schleuderte ihn herum.
Also fing er an Panik zu bekommen?
„Lasst mich nicht allein!“
Zu schade für ihn.
„Tötet mich nicht!“

Sie bemerkte den Stuhl kaum, der vor ihren Füßen landete. Sie starrte nur kühl seine nun ruhige und erschöpfte Erscheinung an.

„Nein...“

Jetzt würde er sicher zu jemand anderem gehen. Geh zu sonstwem und bettel nach Hilfe. Führe andere hinters Licht. Verletz’ jemand anderen...

Aber er tat es nicht...

Asuka war geschockt, als sich plötzlich seine Hände um ihren Hals schlangen. Er drückte mit einer ungeahnten Stärke. Sie wehrte sich noch nicht einmal, als er sie schluchzend von den Füßen hob.

Was hatte sie getan? Was konnte ihm so viel Schmerz bereiten, dass er gewillt war sie aus Rache zu töten? Warum ging er nach ihrer Abweisung nicht zu jemand anderem?

Aber was wenn... Könnte es sein... dass er nicht gelogen hatte? Dass er wirklich mit ihr zusammen sein wollte? Dass er sie nie vorhatte sie fallen zulassen, sobald sie ihren Nutzen für ihn verlor?

Aber das war nicht möglich, oder etwa doch? Niemand hatte jemals...

Jetzt war es sowieso zu spät. Sie hatte keine Kraft mehr. Dunkelheit umgab sie. Alles was sie noch konnte, war seine leise Stimme zuhören, als wäre sie weit weg...

„Also sollen alle einfach nur sterben.“

Alle? Nur weil sie ihm nicht geglaubt hatte, dass er mit ihr zusammen sein wollte? Dass er sie brauchte? Weil sie seinen Hilferuf ignoriert hatte? Wegen...
Wegen mir?

Sie begann Stimmen in ihrem Geist zu hören. So viele Stimmen! Sie wollte sie nicht hören. Sie konnte das nicht zulassen. Nicht jetzt! Sie musste noch immer zeigen... musste noch wissen, ob...
Aber da waren so viele...


***********


Wellen.

Sterne.

Ein roter Streifen.

Konnte nicht atmen.
Tötete sie.
Wie Shinji.
Sicher stellen... Sie meinte es nicht...

Luft.
Tränen... auf ihrem Gesicht. Jemand...
... weinte. In der Nähe. Auf ihr.

Sie konnte nur mit einem Auge sehen.
Shinji weinte auf ihr.

Was? Third Impact. Vervollständigung.
Hatte sie ihm gerade tatsächlich gezeigt...?

„Mir ist schlecht...“



////////////////////////////////



Shinji hatte seine eigenen Probleme Schlaf zu finden. Er hatte das Gefühl, als wären es Stunden, in denen er sich hin und her wälzte bis er endlich anfing einzudösen – nur um von einem Windhauch neben ihm gestört zu werden.‚Na klasse’, dachte er, ‚habe ich vergessen das Fenster zu zumachen?

Als er aufstehen wollte und die Augen öffnete, hatte er ein paar Strähnen seiner roten Haare im Blick, die er abwesend aus seinem Gesicht strich.

Moment, ich habe keine langen rote Haare! Das würde bedeuten...

Er drehte leicht seinen Kopf zu der Seite, auf der er die Ursache des vorherigen Zuges sah.

‚Sie muss wieder geschlafwandelt haben’, dachte er, als er seinen Blick zwischen der Decke und Asuka, die direkt neben ihrem Zimmergenossen lag und ihm den Rücken zugewandt hatte, hin und her wandern ließ. Langsam bewegte er sich von ihr weg, damit er gehen und woanders schlafen konnte. Falls sie aufwachen würde mit ihm neben sich, würde das nicht sehr schön für ihn werden, egal was an dem Abend passiert war.

Aber er wurde in seiner Bewegung gestoppt und seine Augen weiteten sich überrascht, als eine Hand sein linkes Handgelenk packte und seinen Arm um ihre Taille legte.

War sie etwa doch wach? Könnte sie gekommen sein, weil sie seine Nähe gesucht hatte? Nein, dass konnte nicht sein. Sicher, sie hatten gerade sehr enge Umarmung geteilt. Sie hatte ihm ihr Herz ausgeschüttet, zumindest teilweise. Aber das war nur eine spontane, intuitive Reaktion gewesen, oder nicht?

Und jetzt tat sie nichts anderes, als dazuliegen und seinen Arm, der sie nahe an ihm hielt, mit einem leichten, aber doch festen Griff zu halten.

Er atmete wieder schneller. Er spürte, wie sein Herz schneller und schneller in seine Brust schlug. Mehr, als jemals zuvor wurde er an die Nacht, bevor sie den siebten Engel besiegten, erinnert. Nur konnte er dieses Mal nicht so einfach weg. Gut, und auch dass sie ihm dieses Mal den Rücken zugewandt hatte.

Aber alles andere: Die schwache Wärme, die von ihrem Körper ausging, der sanfte Klang ihres Atems, ihr Geruch... Es war alles so berauschend wie damals schon.

Und auch diesmal lehnte er sich, fast ohne es selbst zu bemerken, wieder vor, seine Augen senkten sich langsam, er streckte seine Lippen nach ihr aus, bis sie die weiche Haut ihrer Schulter berührten.

„Forder’ dein Glück nicht heraus, hentai.“

Er keuchte. Ihr geflüsterter Befehl überraschte ihn.

„Ich... ich... wollte nicht...“, stammelte er nervös. Er war sich nicht sicher, ob sein Schock von ihrer plötzlichen Warnung kam oder von der Möglichkeit, dass sie die ganze Zeit wach war und wirklich seine Nähe suchte. Könnte das sein?
„Ich... du hast nur... so gut gerochen...“, gestand er leise.

„Baka...“ flüsterte sie.

Ihre Hand hielt noch immer seinen Arm um sie fest.



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Er war nicht wirklich überrascht, als sie am nächsten Morgen verschwunden war. Den Geräuschen aus dem Bad nach zu urteilen, war sie auf und duschte. Er stand vom Bett auf, zog sich ein bequemes T-Shirt und eine Hose an und ging in die Küche, um Frühstück zu machen. Wie an einem ganz normalen Morgen.

Sie sprachen kein Wort über die Ereignisse des vergangenen Tages und machten weiter, als wäre nie etwas passiert. Nicht, dass er etwas anderes von ihr erwartet hätte. Sie hatte ihm ihre verletzliche Seite gezeigt und es schien so, als wollte sie diese noch immer so weit wie möglich verdrängen.

Oder zumindest hatte er das gedacht.

Umso mehr hatte es ihn gewundert, dass sie, als es Zeit war schlafen zu gehen, ihn am Handgelenk packte und ihn in ihr Schlafzimmer führte. Nachdem er es geschafft hatte sie nach dem Grund zu fragen, bekam er nur ein genuscheltes „Mein Bett ist größer als deins.“, als Antwort.
Er fragte nicht weiter.

Sie schleifen nicht so eng aneinander wie in der Nacht zuvor, aber ihr ganzes Verhalten deswegen ließ ihn nur schwer zur Ruhe kommen.





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Die Schlaf-Prozedur wiederholte sich von da an jede Nacht. Sie würden ins Bett gehen, sie würden schlafen und sie würden aufwachen ohne ein Wort darüber zu verlieren, so, als wäre es das natürlichste auf der Welt. Sie gab nie eine Erklärung und er fragte nicht mehr weiter, auch wenn es ihn einige Zeit beschäftigt hatte.

Schließlich begriff er, oder zumindest wäre das wahrscheinlichste Antwort. So seltsam es auch war, Tags über, sei es wegen der Arbeit, die sie hatten, oder sonst etwas, merkte man kaum, dass sie die einzigen Menschen auf dem gesamten Planeten waren. Doch nachts, wenn man alleine in seinem Bett liegt und von nichts abgelenkt wird, überkommt einen die Einsamkeit und sie klammert sich ganz fest an dein Herz.

Aber wenn sie nebeneinander schliefen, auch wenn nur so nahe um die Anwesenheit des anderen zu spüren, konnte sie die Einsamkeit nicht so schnell finden. Nicht so lange der andere da war.

Und da war noch etwas.

Es war warm...





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„Ich glaube nicht, dass es so schwer ist...“

„Oh ja, wie konnte ich das vergessen? Du bist Shinji, der Allmächtige! Es gibt nichts, was zu schwer für dich ist, nichts, was sich dir in den Weg stellen kann, nichts...“

Shinji ignorierte Asukas Meckerei. Warum konnte sie ihn nicht einfach Mal was ausprobieren lassen, ohne in ihren ‚Besserwisser’-Modus zu wechseln. Zumal er es hauptsächlich für sie machte.

Es war keine Überraschung gewesen, als sie ihm sagte, dass sie nach Wochen keine Lust mehr hatte nur Gemüse, Trockenfleisch oder Fertignudeln zu essen. Sie wollte was ‚richtiges’ zu essen und, natürlich, erwartete sie, dass er es ihr besorgen würde. Da er weder Tiere in freier Wildbahn jagen und schlachten noch ihre Hennen anrühren wollte, hatte er vorgeschlagen, fischen zu gehen, was zu gemischten Gefühlen führte. Nach einer hitzigen Diskussion, ob Fisch nun ‚richtiges’ Essen war oder nicht, hatte er tatsächlich mit dem Argument, dass es entweder das wäre oder sie bald Insekten fangen und essen müssten, gewonnen.

Also war Shinji nun, mit zusammengesammelter Ausrüstung und einem Handbuch, auf dem Weg zu einem See außerhalb von Tokyo-3, gefolgt von der zeternden Asuka. Er wollte die Ashi-Seen, die jetzt mit LCL gefüllt waren, vermeiden. Deshalb wollte er sein Glück an einem etwas außerhalb der Stadt gelegenen versuchen, der in einer malerischen Landschaft lag, durch die er nach seinem Kampf mit dem vierten Engel umhergewandert war.

„... und denk nicht, dass ich sie ausnehme, hörst du?“

Er blieb stehen und ließ die Schultern mit einem leisen Seufzer hängen. „Asuka, warum bist du überhaupt mitgekommen?“

„Du magst meine Gesellschaft also nicht?“, fragte sie bedrohlich, als sie naher an ihn heran trat.

„Nein... i-ich meine... ich...“

Der kalte Blick des Rotschopfes bröckelte unter seinem Gestammel und sie brach in Gelächter aus.

„Du hättest dein Gesicht sehen sollen!“, kicherte sie, als sie wieder ein paar Schritte zurück ging. „Aber ich muss dich enttäuschen, ich bin nicht hier, weil ich dich vermissen würde wenn ich alleine bin oder sowas. Ich will nur die Chance nutzen mal wieder schwimmen zu gehen.“ Zwinkernd erlaubte sie ihm einen kurzen Blick auf einen rot-weißen Träger an ihrer Schulter unter dem T-Shirt. „Abgesehen von der Schule, hatte ich seit dem einen Mal in NERV Schwimmbad keine mehr. Und ganz zu schweigen davon, dass die letzten Wochen für meinen Geschmack viel zu hieß waren.“

Shinji wandte schnell seinen Blick ab, in der Hoffnung, dass sie nicht bemerkt hatte, wie rot er geworden war. Ihr Bikini, die Erinnerung an die Szene am Pool und das erwähnen der Hitze erinnerte ihn nur an eins: thermische Ausdehnung...

Ein paar Minuten später, kamen sie am Weiher an. Manche der Bäume, die drum herum standen, waren von der Schockwelle des Third Impact zur Seite gedrückt. Zwei wurden komplett entwurzelt. Das Wasser jedoch glitzerte im Sonnenlicht, als wär nichts geschehen.

Bald darauf hatte Shinji einen Platz gefunden, von wo er sein Glück versuchen wollte. Als er dort saß und rumprobierte um die Teile der Angel zusammenbauen, hörte er ein paar raschelnde Geräusche irgendwo hinter ihm.

Asuka zieht sich wohl gerade aus...’ Sein Gesicht wurde wieder knallrot bei dem Gedanken. Sicher, sie würde nicht nackt sein, da sie ja schon den Bikini unter ihren Sache an hatte, aber trotzdem...
Kein „Guck nicht!“? Vielleicht... Nein! ... Aber...

Seine Gedanken wurden von einem lauten Platschen unterbrochen. Das war der Moment, als er feststellte, dass er gerade versucht hatte das vorderste und hinterste Teil der Angel zusammenzustecken.

In der Zwischenzeit machte seine weibliche Begleitung ein paar Züge und ließ sich rückwärts treiben.

„Hey, baka, warum gibst du deine nichtsnutzigen Versuche deine Halb-Männlichkeit zu beweisen nicht auf und schwimmst auch ein paar Runden? Das Wasser ist genau richtig!“

„Ich... ichkannnichtschwimmen...“, murmelte er

„Was war das?“

„Ich sagte... dass... ich nicht schwimmen kann!“, murrte er.

„Du kannst was nicht?“, schrie sie verwirrt und stoppte überrascht ihre Rückwärtsbewegung.

„Wenn Menschen dazu bestimmt wären zu schwimmen, dann hätte sie Kiemen!“

„Oh, komm schon, das können sogar Babys! Es ist nur eine Frage des Wollens. Du brauchst nur ein wenig Moti...“

„Asuka, wenn du hier so ein Lärm machst und so viel strampelst, werden hier ganz sicher keine Fische anbeißen!“

„Klasse, jetzt bin ich deine Ausrede für deine Unfähigkeit! Schön! Ich geh da rüber!“

„Schön!“

„Schön!“


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Asuka beobachtete ihren Begleiter aus der Ferne. Woher hatte dieser Idiot auf einmal so viel Rückgrat her? Wer hätte gedacht, dass man nur etwas brauchte, wovor er sich fürchtete, damit er es zeigte? Aber nicht mit ihr! Wie konnte er es wagen sie zu unterbrechen und weg zu schicken! Ob er es nun wollte oder nicht; bei allem, was von ihrem Stolz noch übrig war, würde sie ihn nun ganz sicher ins Wasser bekommen, auch wenn sie auf der anderen Seite einiges davon schlucken würde! Und im Grunde war es doch gut für ihn. Er brauchte nur die richtige Motivation...

Sie wartete einige Zeit und drehte ein paar Runden, bevor sie sich entschied ihren Plan in die Tat umzusetzen. Beim zurückschwimmen zu dem Platz an dem er fischte, bemerkte sie, dass er tatsächlich erfolgreich gewesen war. Auch wenn der Fisch, den er gerade betrachtete, lächerlich klein war, war es genug um ihr zu beweisen, dass sie Unrecht hatte, und er es ihr immer unter die Nase reiben konnte. Aber das würde er sich nicht trauen, wenn sie erst mit ihm fertig war. Sobald sie...

„Aaahhh!“ Ihr Geschrei und wildes Geplansche zog seine Aufmerksamkeit definitiv auf sie.

„Was ist Asuka?“

„I-ich weiß nicht! Ich...“ Wasser floss in ihren Mund und schnitt sie ab, als ihr Kopf unter die Oberfläche sank. Erst nach ein paar hektischen, unkoordinierten Zügen, schaffte sie es wieder nach oben zu kommen. „Meine-meine Beine. Ich habe... einen Krampf...“

„Das-das ist nicht sehr komisch Asuka!“ Shinji sah nun wirklich erschreckt aus. Er hatte die Angel fallen gelassen und stand nun am Rand des Ufers. Er ballte seine Fäuste und entspannte sie wieder.

„Ich mach’ kein...“, hustete Asuka und spuckte etwas mehr Wasser, als sie wieder untertauchte. „Ich mach’ keinen Spaß!“

Sie hielt sich nun kaum noch über Wasser. Das letzte was sie sah war, wie er knietief im Wasser stand. Die Zeit schien ganz langsam zu vergehen, als sie wieder sank und, weiter abdriftend, die Wasseroberfläche betrachtete. Sie war sich nicht sicher, ob sie besorgt oder glücklich sein sollte, dass es wahrscheinlich zum letzten Mal war...

Aber diese Gedanken wurden abrupt unterbrochen, als etwas durch die Oberfläche kam und sie am Handgelenk packte. Sie wurde wieder an die Luft gezogen.

Auch wenn Shinji eher unbeholfen paddelte und mit Armen und Beinen fuchtelte: sie war sicher. Als er ans Ufer kroch, hustete er und spuckte eine Menge Wasser aus. Anscheinend mehr, als sie selbst.

Sobald er sich wieder ein bisschen beruhigt hatte, lehnte er sich über ihren scheinbar bewusstlosen Körper und packte sie leicht an den Schultern.

„Asuka?“, fragte er hoffnungsvoll, als er sie leicht schüttelte. „ASUKA?“

Schwach grinsend, öffnete sie die Augen.

„Siehst du?“, stichelte sie. „Ich wusste, dass ich dich ins Wasser bekomme. Der ‚unbesiegbare Shinji’ braucht nur eine Jungfrau in Not um seinen Arsch hoch zu bekommen.“

„Das... das war also doch alles nur gespielt...?“

„Ha! Natürlich war es das! Hattest du wirklich geglaubt, dass ich deine Hilfe gebraucht hätte, um aus dem seichten Wasser da zu kommen?“, erzählte sie ihm. Vielleicht etwas giftiger, als sie es wollte. Aber als sie aufstehen wollte, packte er sie fester an den Schultern, dass es schmerzte, und drückte sie kraftvoll zurück auf den Boden. „Au! Was zum...?“, schrie sie, verstummte sofort, als sie den Ausdruck in seinen verweinten Augen sah; voll von Besorgnis und Schmerz, aber am meisten von Zorn, dass es sie wirklich erschreckte.

„Asuka!“, zischte er. „Du kannst mich ärgern, du kannst mich schlagen, aber tu das nie... nie wieder!“

Asuka war vor Ehrfurcht erstarrt. Was hatte sie ihm angetan, um das in ihm auszulösen? Sie hatte ihn nur auf den Arm genommen, und auch nicht mal zu seinen Ungunsten. Sie hatte nur gespielt, dass sie ertrinken würde... dass sie...

Ihre Augen weiteten sich, als sie verstand, was sie ihm angetan hatte. Aber sie war nicht im Stande die richtigen Worte für eine Entschuldigung zu finden. Alles was sie machen konnte, war zu nicken, damit er sie losließ.

Auf ihrem Heimweg sprach keiner auch nur ein Wort und auch als sie zu Hause angekommen waren, blieben sie unheimlich ruhig.

In dieser Nacht schlief er nicht neben ihr.

Es war kalt.



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„Ich bin zuhause.“

Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter, als sie den hohlen Klang seiner Stimme hörte. Der Zwischenfall am See war schon ein paar Tage her, aber die Stimmung zwischen den Beiden hatte sich kaum verändert. Und es fing an Asuka wirklich zu stören.

Er wich ihr aus; weigerte sich mit ihr zu reden, außer wenn nötig oder aus Gewohnheit. Und wenn er es tat ließ sein abweisendes Verhalten wenig Zweifel, wessen Sohn er war. Und die Nächte waren kaum besser. Dieses Bett war einfach zu groß für sie alleine.

Es war beinahe, als würde sie mit einem Geist leben: Man weiß, dass da jemand ist; eine unheimlich Präsenz, die durch das eigene Heim wandelt, aber nicht zu greifen ist

Nun, es ging jetzt lange genug so - sie würde das ein für allemal klären. Also holte sie tief Luft und setzte ihr sanftestes Lächeln auf, bevor sie ihm in die Küche folgte, wo er gerade seinen neuen Fang auf die Abtropfplatte des stählernen Waschbeckens legte.

„Hi“, grüßte sie ihn in einem übermäßig verzuckerten Ton.

Aber er antwortete nicht, drehte sich nicht zu ihr um - reagierte in keinster Weise auf ihre Anwesenheit. Asuka zwang ihre Augen, nicht zu zucken und behielt ihr Lächeln.

„Hey, du hast diesmal einen größeren erwischt!“

Aber erneut wurden ihre Versuche guten Willen zu zeigen mit einem einfachen Schnauben quittiert, während er sich die Hände wusch... „Yepp.“

Ihre „süßes Mädchen“ Fassade verflüchtigte sich mit einem verärgerten Seufzer. Selbst zu seinen schlimmsten Zeiten war er nicht so teilnahmslos gewesen, so... kalt. Tatsächlich hatte er - hatten sie - sich in den letzten Wochen geöffnet. Nach der einen großen Aussprache, hatte es überraschend einfach geschienen, frei über Themen zu reden, die beide vorher nie gewagt hätten anzurühren. Sie hatten über ihre Vergangenheit gesprochen; ihre Leben; die Zeit vor und auch die Zeit nachdem sie sich kennen gelernt hatten; ihre Eltern... sie hatte ihm tatsächlich von ihrer Mutter erzählt. Nicht von deren Tod oder wer den leblosen Körper von der Decke hängend gefunden hatte. Noch nicht. Sie hatten offensichtlich dem anderen noch Geheimnisse vorenthalten - aber es war genug um einen kleinen Blick hinter die Schutzwälle zu werfen, die beide um sich errichtet hatten. Und das war nicht durch tiefgründige Unterhaltungen und Analysen geschehen, sondern durch etwas, das es vorher nur sehr selten gegeben
hatte: zwanglose Konversation...

Und Asuka musste gestehen, dass sie anfing, das zu vermissen.

Nur weil er einen dummen Witz nicht verkraften konnte...
Mal ehrlich, wer war er schon, um über sie zu urteilen?! Er hatte ihr schon viel schlimmeres angetan! Ihr das Gefühl gegeben, überflüssig zu sein! Sie im Stich gelassen! Diese widerliche Geschichte im Krankenhaus! Versucht sie umzubringen!
Sie hatte wirklich gute Gründe zu schmollen, aber tat sie das? Nein, sie tat ihr bestes, um mit ihm klarzukommen, weil es nötig war. Weil es sich besser anfühlte....

Aber der Ärger auf den sie versuchte sich zu konzentrieren, half nur wenig, sie die Schuld vergessen zu lassen, die ihr den Magen verknotete wann immer sie ihn sah.

Wenn er drohen würde, sie allein in dieser leeren Welt zu lassen, wäre sie auch nicht sicher, ob sie ihm je verzeihen könnte...

„Hör mal.“ Sie sprach leise, aber ernsthaft, und verschränkte die Arme unter ihrer Brust. „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, was ich getan habe...“

Sie konnte sehen, wie er sich versteifte, aber anderweitig reagierte er nicht.

„Ich hab es getan, um dir einen Gefallen zu tun. Und, ja, auch weil ich dachte, dass es lustig wäre. Ich gebe zu, dass ich es vielleicht nicht gut genug durchdacht habe.“ Sie biss auf ihre Lippe, als wäre es ein letzter Versuch, die kommenden Worte drinnen zu behalten. Aber sie mussten raus. „Also... also entschuldige ich mich, dass ich dich verletzt habe...“

Asuka zog ihre Arme noch enger um sich selbst während sie auf eine Rückmeldung von seiner steifen Form wartete. Durch das Verlangen mit den Füßen zu wippen, bemerkte sie, dass sie tatsächlich nervös war, seine Antwort zu hören. Konnte er wirklich wollen, dass sie so auseinander trieben?

„Komm schon“, versuchte sie noch einmal. „Lass uns den kleinen Zwischenfall vergessen und wieder den Weg einschlagen, auf dem wir waren. Okay?“

Und endlich drehte er sich um. Er sah selbst müde aus, wie Asuka bemerkte, aber sie konnte nicht sagen, ob er ihre Probleme beim Einschlafen teilte oder er genauso müde von diesem „Spiel“ war.

„Weißt du“, fing Shinji an, und ein sehr kleines Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen, „Wenn du wolltest, dass ich wieder mit dir dein Bett teile, hättest du einfach nur fragen müssen...“

Sie konnte nicht anders als zu lächeln - ein ehrliches Lächeln diesmal - nicht nur angesichts seines gar nicht mal schlechten Versuchs, sie zu necken, aber auch aus Erleichterung. „Das hättest du wohl gern, Hentai“, sagte sie in gespieltem Ärger und wandte sich übertrieben-beleidigt zu gehen.

Aber kurz bevor sie aus der Tür war, fügte sie leise, so das er es gerade noch hören konnte, hinzu: „Du fängst aber besser nicht an zu schnarchen.“





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Das Leben normalisierte sich wieder. Zumindest so normal, wie es für die einzigen beiden Menschen auf Erden sein konnte.

Shinji ging nun ab und an wieder zum See, und schaffte es auch ein paar größere Fische zu fangen, wodurch sie ein wenig Abwechslung beim Essen hatten. Asuka entwickelte ein etwas überraschendes Interesse am Garten und auch an den Tieren. Sie hatte ihn sogar schon einige Male weggeschickt, mit dem Argument, dass er das Wachstum der Pflanzen stören würde. Nicht, dass es schon einen Beweis dafür geben würde, wer den ‚grüneren Daumen’ der beiden hatte, oder ob sie noch wegen zu geringem Ertrag verhungern würden. Das würde noch eine Weile dauern das heraus zu finden...





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Wo war dieser Idiot?

Er war nun schon vor Stunden zum Fischen gegangen. Aber das war nicht das Problem.

Die Phasen der Sonne und der Hitze wurden oft von heftigen Regenfällen unterbrochen. In letzter Zeit wurden sie immer schlimmer. Wind und Donner machte oft einen ausgewachsenen Sturm daraus. Aber es war selten so heftig wie an diesem Tag.

Es hatte vor etwa einer Stunde angefangen zu regnen und wurde seit dem schlimmer und schlimmer. Es machte nicht den Anschein, als würde es nachlassen, eher im Gegenteil. Und er war noch immer da draußen.

Dieser Idiot.

Asuka zwang sich vom Fenster weg zu gehen. Wonach hatte sie überhaupt geschaut? Sie hatte nie auf ihn gewartet, also warum sollte sie jetzt damit anfangen? Und es war nicht so, dass er durch den Regen laufen würde. Er hatte sich wahrscheinlich irgendwo untergestellt und wartete, bis es nachließ. Außerdem gab es keine Möglichkeit, dass etwas passiert war. Er hatte gesagt, dass er sie nicht verlassen würde.

Sie zog eine Grimasse, als sie merkte, wie dumm diese Begründung war. Aber trotzdem, es gab keine Chance, dass irgendetwas...

Aber was, wenn...?

Nein, das kann nicht sein...

Aber...

„Ach! Verdammt!“

Dann lief sie los und holte ihre Jacke und ihre Schuhe und rannte hinaus in den Sturm.


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Als sie am See ankam, konnte sie ihn nirgends entdecken. Sie versuchte die winzige Stimme in ihrem Kopf zu ignorieren, die ihr ununterbrochen sagte, dass er aus irgendeinem Grund zu weit ins Wasser gegangen ist und nun ertrunken im Wasser trieb. Die Stimme beruhigte sich ein wenig, als sie am Ufer herumlief und keine Anzeichen von Angel-Utensilien fand.

Das ist aber nicht viel’, fuhr die Stimme fort. ‚Es könnte ja auch von dem Wind weggeweht worden sein.

Sie fragte sich, woher diese Gedanken kamen. Aber noch mehr wunderte sie sich wie sie so viel Macht über sie haben konnten. Es lief ihr eiskalt den Rücken herunter und das kam nicht unbedingt von der Kälte.

Vielleicht war er in die Stadt gegangen und hatte dort einen Unterschlupf gefunden. Das musste es sein. Musste es...


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Sie fluchte als sie in die nächste Pfütze trat. Da waren Hunderte davon in diesen Ruinen, der ganze Boden war eine matschige Mischung aus Dreck und Trümmern. Und der Regen und die aufkommende Dunkelheit machten es schwer etwas zu sehen. Wenn wenigstens noch die Straßenlaternen gehen würden. Oder besser gesagt: wenn sie zumindest noch stehen würden.

Sie ließ den Kopf hängen, als sie einen Seufzer ausstieß. Wie in aller Welt sollte sie diesen Baka in diesem großen, weitläufigen Bereich finden, ohne etwas zu sehen?

„SHINJI!!“

Wo war das hergekommen?

„SHIIIN-JIII?“

Wieder. Verdammt, dass war so peinlich!

Warum? Da war keiner, der es hören könnte...

Außer Shinji...

„VERDAMMT, SHINJI! ES WIRD SPÄT! DU MUSST MIR NOCH MEIN ESSEN MACHEN!“

Besser...

Aber noch immer keine Antwort...

„Verdammt...“, fluchte sie leise.

Aber noch immer keine Antwort...


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Sie hatte fast vier Stunden lang gesucht. Der Sturm hatte kaum nachgelassen und die Nacht brach langsam herein.

Sie würde ihn nicht finden in der kombinierten Dunkelheit.

Der Regen hatte sie jetzt völlig durchnässt. Die Jacke half nicht ihre Kleidung trocken zu halten. Ihre nassen Haare klebten ihr im Gesicht. Ein paar Tropfen liefen ihr auch die Wangen herunter. Nur langsam ging sie nach Hause... nein, sie zog sich nach Hause zurück. Sie hasste es sich zurück zu ziehen.

Sie schaute auf, als ihr Haus zu sehen war. Es sah so friedlich aus, mit dem behaglichen Licht, das aus den Fenstern schien. So warm, so einladend, so... wie ein Zuhause...
Wer weiß ob es jemals wieder so werden könnte...?

Augenblick’, wunderte sich Asuka plötzlich. ‚Ich habe das Licht nicht angemacht...

Ohne weiter nachzudenken, rannte sie zum Haus, riss die Tür auf und stieß fast gegen...

„Shi... Shinji?“

„Mein Gott, Asuka, wo warst du? Du bist völlig durchnässt!“

„Wa... Wo warst du?“

„Ich? Ich habe nach dem Gewächshaus gesehen, als der Sturm anfing. Ich wollte warten bis es nachlässt. Aber das hat es nicht, also bin ich dann rüber gerannt nach etwa... Asuka, du solltest dir wirklich ein paar trockene Sachen anziehen, das kann nicht gesund sein!“

Asuka bewegt sich jedoch nicht. Sie hielt den Kopf unten. Die nassen, tropfenden Haare verdeckten das meiste ihres Gesichts für seinen Blick. Ihre beiden Fäuste hatte sie leicht geballt und ihre Stimme zitterte vor Wut.

„Ich war da draußen für vier Stunden, habe nach dir gesucht und du warst DIE GANZE ZEIT HIER?!!“

Ihr plötzlicher Sprung nach vorne überraschte Shinji und er zuckte zusammen vor dem erwarteten Schlag. Umso verblüffter war er, als sie die Arme um ihn warf und ihn überraschend eng umarmte.

„Du dummer Idiot!“, murmelte sie mit überschnappender Stimme in seine Schulter. „Wenn du nochmal so was Dummes machst, bring ich dich persönlich um!“

„Du... du hast dir wirklich sorgen um mich gemacht?“

„Ich... Ich wollte nur... ach, halt die Klappe, baka!“, meinte sie verärgert und wich ein Stück zurück. „Ich hoffe du hast wenigstens das Essen fertig! Wenn es gut ist, dann sehe ich vielleicht drüber weg, dass du nicht nach mir gesucht hast...“

Ein stechendes Schuldgefühl traf ihn, als sie den letzten Satz in einem eher enttäuschten als bedrohlichen Tonfall gesagt hatte.

Trotzdem...
Er konnte nicht anders, als zu lächeln...



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„Das ist alles deine Schuld, weißt du das?“, begrüßte ihn Asuka heiser, und versuchte sich im Bett aufzusetzen, als er herein kam und ein Tablett mit einer Schüssel heißer Suppe trug.

„Es...“ Er wurde unterbrochen, als der Rotschopf ihm einen warnenden Blick zuwarf. Oder zumindest tat sie das, was dem in ihrem derzeitigen Zustand am nächsten kam. Aber ihre geschwollenen Augen und ihre rote Nase machten sie nicht so Furcht einflößend, wie sie es gerne hätte.
Er seufzte. „Naja, es war mein Fehler, dass du raus gegangen bist und dich erkältet hast...“, gab er zu, als er ihr das Tablett vorsichtig auf den Schoß stellte, um nichts zu verschütten.

„Von deinen Entschuldigungen werde ich auch nicht gesund! Du musst dir nicht die ganze Zeit Vorwürfe machen. Das kann ich ganz gut für dich machen!“

Sie lachte über ihren Witz, aber ihr lachen wurde schnell zu einem Husten. Die plötzliche, schaukelnde Bewegung ließ die Suppe über den Rand schwappen und landete auf dem Tablett.

„Du isst besser, solange noch was in der Schüssel ist.“

Asuka nickte, dann nahm sie einen Löffel Suppe direkt in den Mund.
Sie riss die Augen vor Schmerz auf, als ihre Zunge mit der unerwarteten Temperatur in Berührung kam.

„AUAAAAA! DAS IST HEISS! Kannst du nicht ohne Hitze kochen?“

„Es tut... oh... Es-es wird dir helfen gesund zu werden.“

Sie antwortete darauf mit einem Grinsen, aber entschied sich offensichtlich dazu nicht weiter zu diskutieren. Er fing an zu lächeln, als er sah, wie sie den Rest ihrer Suppe ohne weitere Beschwerden, aber ab und an ihre Lippen zu einem kühlenden Pusten spitzend, auslöffelte.

„Und, wie fühlst du dich?“, fragte er, als sie alles gegessen hatte.

„Besser. Also, darf ich jetzt wieder aufstehen?“

Shinji lachte leise in sich hinein. Sie hatte ihn das dauernd gefragt, seit er sie mit einer Menge von Argumenten und Begründungen ins Bett geschickt hatte, damit sie sich erholte. Aber Asuka war niemand, der mehrere Tage im Bett liegen konnte, ohne etwas zu tun. Und sie hatte höchstwahrscheinlich nicht daran gedacht, dass er nicht die ganze Zeit bei ihr sein würde, und auch die Nächte nicht bei ihr verbringen würde, als sie sich entschlossen hatten, dass sie ihr Bestes versuchen sollten, dass er sich nicht auch noch ansteckte.

Er ging einen Schritt nach vorne und legte ihr sanft die Hand auf die Stirn.

„Dein Fieber ist gesunken aber du hast noch immer leichte Temperatur. Du solltest noch eine Weile hier bleiben.“

„Na toll“, grinste sie. „Weißt du was? Da du so ein pflichtbewusster Doktor bist, bist du ab sofort für die medizinische Versorgung verantwortlich!“

„Wa-? Du bist nur zu faul, den ganzen Theorie Kram zu lernen, oder? Und was ist, wenn ich mal krank werde?“

„Keine Widerrede! Das war ein Befehl, Ikari!“, spottete sie.

„Wenn das so ist...“, seufzte er geschlagen. „Aber als ‚Doktor’, sage ich dir im Bett zu bleiben und ein wenig zu schlafen.“

„Okay, okay...“

Er war bereit den Raum zu verlassen, als sie wieder unter die Decke gekrochen war, aber etwas hielt ihn zurück. Etwas, was er noch klären musste.

„Asuka...“

„Hmm?“

„Ich... ich habe dir noch immer nicht gedankt dafür, dass du da draußen nach mir gesucht hast. Dafür... dafür, dass du wirklich um mich besorgt warst...“

„Ich...“ Sie drehte schnell ihren leicht erröteten Kopf, um seinem Blick zu entgehen. „Ich will hier nur nicht ganz alleine leben. E-es wäre zu langweilig ohne Gesellschaft. Ich... das... es hatte nichts mir dir speziell zu tun, verstanden?“

Klar“, sagte er ein wenig enttäuscht. Aber er würde keinen von ihnen einen Rückzieher machen lassen. Nicht dieses Mal.
Asukas Augen weiteten sich, als er plötzlich ihre Hand nahm.

„Aber trotzdem danke...“, beendete er, und lehnte sich näher zu ihr herüber.

Es war kein echter Kuss. Eher ein kleiner Schmatzer auf die Lippen.
Aber dieser überraschend-gewagte Zug von ihm war mehr als genug um sie für einen Moment sprachlos zu machen, in dem er langsam aufstand, das Tablett nahm und zur Tür ging.

„Baka“, schaffte sie es schließlich zu murmeln, was ihn im Türrahmen erstarren ließ. „Du könntest dich jetzt angesteckt haben...“

Er lächelte. „Das... wäre es mir Wert gewesen...“, versicherte er, als er hinausging und die Tür hinter sich schloss.

„Baka...“, flüsterte Asuka einmal mehr und schloss die Augen um zu schlafen. Noch immer seine Berührung spürend.

Auf der anderen Seite der Tür gaben Shinjis zitternde Beine schließlich nach und mit einem erleichterten Seufzer plumpste er hin, mit dem Rücken an die Wand gelehnt. Er schnappte nach Luft, nachdem er ohne es zu merken seine Luft angehalten hatte, während er so gut es ging den Gelassenen gespielt hatte. Doch, er hatte ein breites Lächeln im Gesicht

„Nun, sie hat mich nicht geschlagen...“





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„Nun, dann FICK’ DICH!“

Voller Zorn, hatte sie sich umgedreht und wäre in ihr Zimmer gestürmt, wenn sie nicht von ihrem Zimmergenossen daran gehindert worden wäre.

„Was? Was ist los, Asuka?“, fragte Shinji verwirrt.

„‚Was ist los??’„, blaffte sie ihn an, als sie kraftvoll ihren Arm aus seinem Griff befreite. „Du hast gerade gesagt, dass du sie geliebt hast! Ich-ich dachte...“, sie unterbrach sich selbst und schaute wieder weg.

Er seufzte. Das war es also. Er hätte es wissen sollen, dass das irgendwann Probleme machen würde. Er hätte ihr das schon viel früher erzählen sollen.
„Du verstehst das nicht. Ich habe sie geliebt, aber nicht so. Aya... Rei, sie war... ein Klon... meiner Mutter...“

„Sie... war deine Mutter?!?“ Ihre Augen wurden groß, als sie realisierte, was das zu bedeuteten schien. „Das... das ist krank!“

„Nein. Auch wenn sie ein Klon meiner Mutter war, war... war sie trotzdem sie selbst. Sie war nur... keine Ahnung... wie meine Mutter, wenn du weißt was ich meine. Ich denke deshalb mochte ich es bei ihr zu sein. Ich habe mich irgendwie... sicher gefühlt. Und ich wollte, dass sie... glücklich ist... Aber wie du weißt bin ich darin nicht sehr gut...“

„Ich denke immer noch, dass es krank ist! Was von seiner Mutter zu wollen...“

„Das wollte ich nicht. So war das nicht“, versuchte er sich zu verteidigen. „Ich... ach! Ich hätte wissen müssen, dass du es nicht verstehen würdest! Du würdest auch das mit Kaworu falsch verstehen! Er...“ Shinji hielt inne und bereute was er gesagt hatte, in dem Moment, in dem es ihm über die Lippen kam.

„K-Kaworu?“ Wie erwartet, ihr Zorn wich zeitweise ihrer Verwunderung. „E-er?! Du-du warst...?!? Ein... ein Junge?“

„J... Nein... Ich meine... so ist das nicht! Er... er war der letzte Engel...“

„Der letzte...? Also hatte er eine Fähigkeit, mit der er dafür sorgen konnte, dass sich jeder in ihn verliebt oder was?“

„Nein...“

„Dann, angenommen, dass du von Natur aus weder auf den Feind noch dein eigenes Geschlecht stehst, wie hat er dich dazu gebracht dich in ihn zu verlieben?“

„Ich habe mich nicht...“, fing er an zu protestieren, aber die Worte fehlten ihm. „Er... er hatte gesagt, dass er mich liebt...“

„Das ist alles? Jemand kommt vorbei, sagt dir, dass er dich liebt und du liebst ihn dafür auch? Ist es so einfach deine Liebe zu bekommen?“

„Ich.. ich weiß es nicht...“

„Naja, dann... Ich... Ich...“, murmelte sie zögerlich, als würde sie die richtigen Worte suchen oder damit kämpfen sie auszusprechen. Aber dann starrte sie ihn wieder an. „Ich kann das nicht glauben! Aber das war ja schon immer dein Problem, stimmt’s? Du konntest dich nie überwinden, jemandem zu sagen, was du empfindest, sondern hast immer darauf gewartet, dass jemand nett zu dir war. Also hast du dich in solche verliebt, egal wer oder was sie waren, egal wie viel Wahrheit in ihren Worte war! Aber... aber was, wenn es jemanden gibt, der dich aufrichtig liebt, aber genausowenig den ersten Schritt machen kann? Du würdest das nie bemerken oder? Ich schätze Frauenherzen sind noch immer zu schwierig für dich zu verstehen...“

„Vielleicht... vielleicht nicht...“, flüsterte er als sie die Tür zu ihrem Zimmer hinter sich zuknallte. „Aber ich schätze, du hast recht...“





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Liebe...
Was war Liebe überhaupt?

Die Leute haben immer gesagt, dass man weiß was Liebe ist, wenn man sie fühlt. Aber letzten Endes hatten sie immer andere Leute, die sie um Rat fragen oder mit denen sie sich vergleichen konnten.

Aber was, wenn es keine anderen gab? Wer konnte darüber urteilen, ob es Liebe war, oder man nur in jemand verknallt ist. Ob man nur denkt, dass man verliebt ist?

Shinji konnte hören, wie sich seine Bettnachbarin hinter ihm hin und her bewegte, manchmal so Luft holte, als wolle sie etwas sagen, dann aber doch stumm blieb. Sie war schon die letzten Tage so gewesen. Angespannt und sie sprach nur in kurzen, abgeschnittenen Sätzen mit ihm, als wolle etwas loswerden und mit sich kämpfte es zu sagen.

„Du...“, begann sie schließlich, „du weißt, dass ich dich liebe, nicht wahr?“

Was auch immer es war; wenn es sonst niemand gab, lag es dann nicht an ihnen zu entscheiden? Sie konnten ihre eigene Definition machen, wenn es notwendig war. Wenn er das stärkste Gefühl hatte, dass er sich vorstellen konnte für jemand anderen zu haben; eines, dass sein Herz mit Freude füllt, immer, wenn man mit dieser Person zusammen ist, sie sieht, oder auch nur an sie denkt; wenn man diese Person schon vermisst, sobald sie den Raum verlässt; wenn man alles tun würde, damit diese Person glücklich ist; gab es jemand, der ihm verbieten könnte es Liebe zu nennen?

Er lächelte. „Ich weiß. Genauso sicher wie ich dich auch liebe...“



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Man sollte meinen, kaum dass sich zwei Leute ihre Liebe gestanden hätten, würden sie glücklich die ganze Zeit miteinander verbringen; jede Sekunde ihres Zusammenseins genießen.

Doch in den folgenden Tagen schienen Asuka und Shinji so weiterzuleben, als ob nicht passiert wäre; zumindest auf den ersten Blick. Aber bei näherem hinsehen würde man bemerken, dass sie eigentlich versuchten dem anderen möglichst aus dem Weg zu gehen. Die meiste Zeit würden sie in ihren eigenen Zimmern bleiben, oder Asuka wäre im Garten, während Shinji ein bisschen im Haus putzen würde, oder er würde fischen gehen, oder sie würde in die Stadt gehen um Vorräte zu holen, oder...

Die wenige Zeit, die sie miteinander verbrachten, würden sie kaum miteinander reden und wenn dann nur über belanglose Dinge, um diesem Thema um jeden Preis aus dem Weg zu gehen. Sie würden nur ein paar scheue Blicke riskieren, die sie schnell wieder abwenden würden, als wäre es etwas Verbotenes, dem man nicht widerstehen konnte.

Beide wussten, dass es eher lächerlich war; beide wussten, dass der andere genauso fühlte, also warum dieses schon fast lachhafte verhalten? Was war es, was sie noch fürchteten?

Die Nähe?
Sie waren sich in den letzten Monaten bereits sehr nahe gewesen, mental und zumindest manchmal auch körperlich. Auch wenn letzteres niemals (absichtlich) über das von Freunden hinaus ging. Aber war einen Schritt weiter zu gehen als das nicht ein Teil dessen, was sie wollten?

Davon, wieder verletzt zu werden?
Beide hatten gezeigt und versichert, dass sie den anderen nicht absichtlich verletzten würden. Natürlich war da ein nicht zu unterschätzendes Risiko, dass es früher oder später versehentlich passieren würde. Aber war das nicht ein kleines Risiko verglichen mit dem was dabei herauskam?

Die neuen, unbekannten Eigenheiten dieser Situation?
Aber wollten sie es nicht gemeinsam erforschen?

„Verdammt! Das ist lächerlich!“, murmelte Asuka, und schob ihren, gerade leer gegessenen Teller über den Tisch.

„Huh? Was denn?“, fragte Shinji verwirrt, als danach griff, um die Teller spülen zu können. Aber seine Hand wurde gestoppt, als sie zärtlich ihre auf seine legte.

„Das...“, sagte sie, und sie verflocht ihre Finger mit seinen, „Ich meinte das...“

Als sie nach oben in seine Augen schaute, wusste sie, dass er sie nicht wirklich verstand.

„Komm mit...“ Sie ging ins Wohnzimmer, mit Shinji im Schlepptau, der sich noch nicht sicher war, was sie vor hatte. Dort führte sie ihn zum Sofa und setzte sich hin, wobei sie ihn runter zog, damit er das gleiche tat. Sie drehte sich zu ihm hin und nahm auch seine andere Hand.

„Shinji, was... was ich in der Nacht gesagt habe... I-ich habe das ernst gemeint“ Sie machte eine Pause um ihm in die Augen zu schauen. „Ich liebe dich.“

„Ich... ich weiß“, versicherte er lächelnd und mit leicht geröteten Wangen. „Ich... ich liebe dich auch.“

„Also, warum verhalten wir uns dann nicht wie Leute, die sich lieben? Warum gehen wir uns sogar aus dem Weg?“

„Wir... ich...“, stammelte er, als hätte er sich vorher nie Gedanken darüber gemacht. Dann schüttelte er den Kopf. „Ich weiß es nicht...“

„Also, warum machen wir dann nicht...?“ Sie beendete ihre Frage nicht.

Die Zeit schien stillzustehen in dem Moment, als ihre Lippen seine trafen.

Keiner bewegte sich oder gab ein Geräusch von sich. Sie saßen nur da, die Augen geschlossen, die Hände verflochten; nur die Wärme des anderen genießend; die leichte, kostbare Berührung ihrer Lippen, so als wäre es ihr allererster Kuss.

Nein, es war ihr erster Kuss! Dieses flüchtige Küsschen, dass Shinji ihr gab als sie krank war, zeigte seine Sorge und dass er dankbar für ihre war, die sie vorher gezeigt hatte; aber es war nicht wie das hier.

Und der Kuss zuvor...

Damals, hatte sie es gehasst, dass sie es wollte; gehasst, dass es ihr gefiel. Dass sie versucht hatte ihr egozentrisches Ich zu überzeugen, dass es kein ernstgemeinter, sehnsüchtiger Kuss war, sondern nur etwas um Zeit totzuschlagen und sich über ihn lustig zu machen indem sie seine Nase zuhielt machte es nicht besser; eher im Gegenteil. Es war nur damit er keinen Gefallen daran finden würde, genauso, wie sie es sich nicht erlauben konnte. In dem Moment, in dem sie ins Badezimmer rannte, bereute sie es mehr als alles andere zuvor; zum einen, dass sie so schwach war sich zu erlauben von allen Leuten ausgerechnet ihn zu Küssen; auf der anderen Seite, dass keiner von ihnen versuchte es andauern zu lassen, um es zu einem richtigen Kuss zu machen. Sie wusste nicht, welches Gefühl sie mehr gehasst hatte.

Aber dieses Mal gab es keinen Grund irgendetwas zu bereuen; es stand ihnen frei es zu genießen, es zu lieben. Und das taten sie auch, bis sich der Mangel an Luft bemerkbar machte, und sie zwang sich zu trennen, mit einem leichten keuchen.

Das ist etwas, was Leute tun sollten, wenn sie sich li
eben!“, rief sie lächelnd.

Er nickte, mit einem heiteren Lächeln, bevor er ihre Hände los ließ und mit einer seiner zitternden Hände sanft ihre Wange nahm. Mit einem (zumindest für ihn) kühnen Zug zog er ihre Lippen wieder an seine; er wagte es sie nun mit noch mehr Leidenschaft zu küssen als vorher.

Nicht, dass es ihr etwas ausgemacht hätte. Das Verlangen soviel wie möglich von ihm zu spüren stieg bis zu einem Punkt, an dem sie ihre Arme um seinen Hals warf, genauso wie seine den Weg um ihre Taille fanden; sich gegenseitig näher und näher in den Kuss ziehend. Sie konnte spüren, dass ein unbekanntes Verlangen von ihm ausging; eine Wärme, die gefürchtet und willkommen zu gleich war. Für einen Moment ließ sie ihn die Führung übernehmen; er öffnete seinen Mund und ihrer folgte, er... war das seine Zunge an ihrer? Sie war für einen Augenblick überrascht, aber hörte nicht auf; eher, ließ sie sich von der Anregung überwältigen, und machte bei dem neu entdeckten Zungenspiel mit. Aber viel zu bald würden sie sich wieder trennen müssen.

„Ich merke, du lernst schnell“, gab sie ihm leicht schwindelig ein Kompliment. „Viell-vielleicht ein bisschen zu schnell. Und wo wir schon dabei sind: wo hast du gelernt so zu küssen?“

Sein Lächeln verschwand schlagartig und er wandte seinen Blick ab, als er stark errötete. „Mi-Misato...“

„Mi... WAS?“

„Es... es war kurz bevor sie... bevor sie gestorben ist. Sie hat es einen ‚Erwachsenen-Kuss’ genannt. Sie... gab mir einen Kuss wie diesen und sagte... wir würden... den Rest machen, wenn ich zurück käme. Wir wussten beide, dass sie solange nicht leben würde. Wenn ich daran zurückdenke, dann bin ich nicht sicher, ob sie mir sagen wollte, dass ich alt genug bin die richtigen Entscheidungen zu treffen, oder ob sie mir zeigen wollte, dass da doch Leute waren, die mich geliebt haben. Aber damals hat es mich nur noch mehr verwirrt und machte den Augenblick ihres Todes für mich noch schmerzhafter...“

Das anfängliche Gefühl der Eifersucht, dass sie anfangs gespürt hatte, wurde schnell von ehrlichem Mitgefühl für den Jungen, der um ihren früheren Vormund trauerte, verdrängt. Die in der Regel fröhliche, wenn auch manchmal schlampige Frau hatte auch ihr eine Menge bedeutet; auch wenn sie ihre Probleme hatten, Misato hatte immer versucht zumindest ein Freund zu sein. Aber für Shinji war sie sogar mehr gewesen, als das. Sie war die erste gewesen, die ihm ihre Fürsorge zeigte, die erste, der er sich geöffnet hatte. Sie war die erste gewesen, die fast etwas wie... wie eine Mutter war.

Asuka streckte ihre Hand aus um sanft seine Wange zu streicheln. Auf diese Weise konnte sie ihn dazu bringen sie mit seinen tränenden Augen anzusehen. So konnte sie noch etwas tun, was Leute für diejenigen tun die sie lieben.

„Es ist in Ordnung“, sagte sie mit einem beruhigenden Lächeln.





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Auf den ersten Blick schien es, als ob sich ihr Leben nicht viel änderte, als es weiter ging. Ihre täglichen Aufgaben wurden wie immer erledigt; lernen, essen, arbeiten; da war kein erkennbarer Unterschied in den folgenden Wochen und Monate.

Aber bei näherem hinschauen würden die Änderungen auffallen. Und es war nicht nur das gelegentliche küssen oder anderer physischer Kontakt (was noch immer nicht sooft passierte wie es wohl bei den meisten anderen Pärchen der Fall wäre - vor allem in ihrer Situation). Aber nachdem sie es geschafft hatten offen ihre Gefühle zuzugeben, schien es, als wäre eine Last von ihren Schultern genommen worden; eine, von der sie nicht einmal wussten, dass sie da war.

Wenn sie nicht die einzigen Menschen auf der Welt wären, könnten sie wohl ein mehr oder weniger normales Teenager Leben führen, die die Liebe zum ersten Mal erleben.





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Schweiß rann seine Stirn hinunter. Sein Atem war unregelmäßig. Einmal mehr schaute er den wunderschönen Rotschopf vor sich an, der darauf wartete, dass er den ersten Schritt machen würde. Seine Gedanken überschlugen sich.

Wie war es hierzu gekommen? Warum hatte er dem hier zugestimmt? Naja, wahrscheinlich, weil ein Teil von ihm es tatsächlich wollte. Aber trotzdem, das war so früh...

„Eh... Anämie...?“

„Fast!“

„Ap-lastische Anämie...?“

„Hmm, ich lass das mal gelten“, sagte Asuka und machte ein Haken hinter dieser Frage auf ihrem Zettel.

Sie machten ab und an diese Tests um zu sehen ob der Aufwand ihrer Lernerei auch einen effektiven Nutzen hatte. Es wäre eher unnütz gewesen, wenn sie erst in ihren Büchern hätten suchen müssen, jedesmal, wenn sie eine bestimmte Information benötigten. Shinjis Test in medizinischen Fragen, so wie heute, waren ganz besonders wichtig, da es entscheidend wäre, wenn ein Notfall eintreten würde. Natürlich erwartete keiner von ihnen, dass er innerhalb von ein paar Monaten zu einem Doktor werden würde; dass er in der Lage wäre so viele verschiede Informationen in so kurzer Zeit zu lernen, wo andere mehrere Jahre studierten und sich für gewöhnlich auf ein Gebiet spezialisierten.

Stattdessen konzentrierte er sich mehr auf die Dinge, mit denen sie zu tun haben würden. Er machte auch sehr deutlich, dass er nichts machen würde, was eine Narkose oder Operation brauchen würde, wenn er es vermeiden könnte, da es in seinen Augen zu riskant war.

„Okay, nächste Frage: Welche Maßnahmen müssen bei einem Sonnenstich ergriffen werden?“

„Äh...“

„Komm schon, dass ist ne einfache. Sogar ich weiß das!“

Er musste schlucken. Natürlich hatte auch sie ein wenig davon gelernt, so wie er es mit ihren Aufgabenbereichen tat, für den Fall, dass einer von ihnen nicht in der Lage war seinen Pflichten nachzukommen, wegen Krankheit oder anderer Gründe. Aber es war trotzdem peinlich, dass ihm die Antwort zu entgleiten schien.

„Ich... ähm...“, stammelte er, als er näher kam und seinen Kopf nervös zu ihr hinüberstreckte. „Ich... liebe dich...?“

„Nette Antwort“, erwiderte sie und schaute lächelnd zu ihm auf, aber dann unterbrach sie seinen erneuten Versuch sie zu küssen, indem sie ihre Hand zwischen sie brachte, „aber nicht die richtige!“

„Ohh, aber... äh... es war...“

Warum hatte er alldem zugestimmt...?





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Etwas, das bald nach ihrem Einzug zu einem regelmäßigen Ereignis wurde, waren die Abende, an denen sie fern schauten. Natürlich gab es keine Übertragungen mehr, aber zumindest einer der Yamaderas war scheinbar ein ziemlicher Sammler von Videos und DVDs gewesen.

Was zuerst nur eine Alternative war, um Zeit totzuschlagen, war mittlerweile zu einer guten Gelegenheit zum Kuscheln geworden. Besonders, wenn sie einen romantischen Film schauten wie an diesem Abend.

Es war einer dieser eher mittelmäßigen westlichen Filme, die immer nach dem selben Schema abliefen: Er trifft sie; sie verlieben sich; ihre Beziehung wird durch verschiedene Dinge bedroht (in der Regel ein Missverständnis wegen eines Rivalen), aber am Ende, bekommen sich die beiden aber trotzdem.

Gerade jetzt, brachte „Er“ „Sie“ nach Hause nach ihrer Verabredung. Zurück in ihrem Apartment, fragte sie ihn, ob er auf einen Kaffee reinkommen wollte und er hatte zugestimmt. Sie gingen rein, sie begannen sich zu küssen... und auszuziehen...
und...

Shinji wandte schnell seinen Blick vom Fernseher ab, als er knallrot wurde. Asuka kicherte und gab ihm einen kleinen Stupser, als sie seine Reaktion bemerkte.

„Baka, der Film ist für 12-jährige freigegeben. Du bekommst nicht wirklich was zu sehen. Siehst du? Es ist schon vorbei.“

Er spürte, wie sie sich seufzend zurück an seine Schulter lehnte. Er wusste, dass es ziemlich albern war, dass er immer noch so reagierte, besonders wenn man seine Erfahrung mit - für gewöhnlich unabsichtlichen - intimen Begegnungen mit Rei, Misato und besonders mit Asuka berücksichtigte. Aber diese Situationen hatten ihn eher nervöser werden lassen, als es besser werden zu lassen. Und nun das Mädchen seiner Träume in den Armen zu halten half ihm auch nicht gerade dabei. Auch wenn sie nun schon eine ganze Weile „offiziell“ Zusammen waren, wagte er es noch immer nicht, sie an irgendeiner „unangemessenen“ Stelle zu berühren. Aber er würde sich nicht ewig davor verstecken können; falls sich ihre Beziehung weiterentwickeln sollte... früher oder später würden sie den nächsten Schritt machen...

„Weißt du Shinji? Es ist ja schon schade, dass wir sowas nicht machen können...“

... aber so schnell?

„Ähh... uhh... W-wenn du das w-willst... ich meine... w-wir könnten... technisch...“

„Hää? Was stammelst du da vor dich hin?“

„N-naja, es ist e-ein bisschen plötzlich, weißt du? Ich meine wir sind noch nicht weiter gegangen als uns zu küssen, aber w-wenn du schon... äh... ‚weiter’ gehen willst...“

„Baka-hentai!“, schrie sie und wurde selbst rot, als sie bemerkte, was er gemeint hatte. „Ich hab nicht von diesen ekelhaften Dingen gesprochen!“

„Oh...“, er klang ein wenig enttäuscht. „Also hast du noch nie darüber nachgedacht... ‚es’ zu tun?“

„Äh... ich...“, stotterte Asuka, deren Gesicht nun die Farbe ihrer Haare annahm. Natürlich hatte sie darüber nachgedacht; mehr als nur einmal war es schwer für sie nicht ihren Hormonen die Kontrolle zu überlassen, die ihr sagten bei jedem Kuss und jeder Berührung ein bisschen weiter zu gehen. Aber sie konnte es noch nicht zulassen.

Oder könnte sie...?

„Ähm, was ich gemeint habe ist, dass es schade ist, dass wir nicht Abendessen gehen können oder ins Kino oder auf ein Fest oder sowas in der Art. Weißt du? Sowas ganz normales eben...“

Er nickte, dankbar, dass sie dieses peinliche Thema übergangen hatte.

Etwas normales?’, dachte er noch einmal, als sie wieder ihre Aufmerksamkeit auf den Schirm richtete.

Ein breites Lächeln kam auf seine Lippen, als ihm eine Idee durch den Kopf ging.




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Asuka lag unruhig in ihrem Bett. Die letzten Ereignisse des Abends; die schmerzenden Gefühle in ihrem Bauch, die sie hervorgerufen hatten, ließen sie keinen Schlaf finden.

Sie hatten immer ein paar Streitereien; dass sie sich ihre Liebe gestanden hatten, hatte das nicht wirklich verändert. Aber sie konnte sich nicht an eine Auseinandersetzung erinnern, die so schlimm war wie die an diesem Abend.

Was war der Auslöser gewesen? Sie erinnerte sich nicht einmal daran. Nur, dass es sein Fehler war. Und dass es damit endete, dass sie sich angeschrien hatten.

Und nun musste sie wieder alleine sein; kalt und alleine mit den Gefühlen des Bedauerns und der Schuld. Warum konnte er sich nicht wie immer entschuldigen und sie würden...

Asuka runzelte die Stirn bei diesem Gedanken.

Warum konnte sie nicht sagen, dass es ihr Leid tut? Dieser verdammte Stolz, er war noch immer da. Hatte sie sich nicht selbst geschworen, dass sie ihn nie wieder die Oberhand gewinnen lassen würde? Und nun schau was es sie kosten könnte.

Angst kam zu ihren gemischten Gefühlen dazu; Angst, dass das alles zwischen ihnen zerstören könnte, dass er... sie sogar verlassen könnte...

Der Gedanke ganz allein zu sein erschreckte sie so sehr, dass sie aufschreckte. So sehr sie auch eine dauerhafte Wiederholung der Tage nach dem Vorfall am See Monate zuvor fürchtete, ihm nicht mehr so nah sein wie sie es waren, wäre immer noch besser, solange er zumindest bei ihr wäre.

Nein. Sie würde zu ihm gehen und sich entschuldigen. Auch wenn es seine Schuld war. Andererseits, war es überhaupt so? Er hatte etwas gesagt und sie antwortete... oder eher keifte zurück? Wie auch immer, von da an ging alles bergab.

Langsam kroch sie aus ihrem, wegen ihrer Schlaflosigkeit zerwühlten, Bett und ging zu ihrer Zimmertür. Einen tiefen Atemzug; dann öffnete sie die Tür... um ein ähnliches Geräusch von der anderen Seite des Flurs zu hören. Auch durch die Dunkelheit der Nacht, schaute Shinji ihr direkt in die Augen und sie ihm in seine, als sie einen Schritt näher aufeinander zu gingen.

„Ich wollte nur...“, sagten sie gleichzeitig; wodurch das Öffnen der Türen nicht die einzige Erinnerung ihres Synch-Trainings blieb.

„- Fang an! -
- Nein, du! -
- Okay, ich... -“

Sie hielten inne, als sie bemerkten, dass es so nicht funktionierte; und suchten nach den richtigen Worten (die von dem anderen nicht zu gleichen Zeit verwendet werden würden). Sekunden verstrichen, in denen sie nichts anderes taten, als sich anzusehen und den Mund zu öffnen und wieder zu schließen, bis sie schließlich aufgaben. Und sich stattdessen ihre Lippen zu einem Kuss trafen, der genug sagte.

Offenbar würde sie heute noch immer nicht ihre Probleme damit, sich für etwas zu entschuldigen, verlieren. Aber vielleicht war es nur so, wie sie ihm ständig sagte.

Vielleicht brauchte sie es nicht...




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Shinji lächelte in sich hinein, als er auf dem nach Hause Weg durch die zerstörte Stadt war. Die meisten Vorbereitungen für den großen Tag waren erledigt. Oder sollte es ein „normaler“ Tag heißen?

Den Rest würde er kurz vorher machen müssen, wenn Asuka nicht da wäre. Alles in allem sollte es eine - hoffentlich angenehme - Überraschung werden.

Plötzlich wurde er von etwas auf dem Boden geblendet, das im Sonnenlicht glänzte.

Trotz seines anfänglichen Gedanken es als Glassplitter abzutun, schaute er sich das Ding genauer an.

Als er es aufhob und es sorgfältig vom Staub befreite, wurde sein Grinsen von vorher nur noch größer.

Vielleicht würde es ein noch größerer Tag werden als er gedacht hatte.




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Asuka wachte langsam an einem neuen Tag auf. Als sie ihre Augen aufschlug, konnte sie sich nicht helfen, und musste lächeln, als sie Shinji neben sich noch immer schlafen sah. Er sah zu niedlich aus, mit seinem zerwühlten Haar, seinem schwachen Schnarchen, seiner... Hand auf ihrer Brust? Sie wurde rot, als sie plötzlich den leichten Druck bemerkte.

In einem Bett zu schlafen, führte fast automatisch zu solchen „Zwischenfällen“, wie diesem. Alle waren begleitet von einem tiefen Rot in ihren Gesichtern, gestammelten Entschuldigungen und, bevor sie sich ihre Gefühle gestanden hatten, eine Menge Flüche und Schläge, die Shinji abbekam.

Instinktiv, nahm Asuka seine Hand um sie dort wegzulegen, bevor er aufwachen würde. Aber dann stoppte sie.

Um ehrlich zu sein es fühlt sich gar nicht so schlecht an.’

Ihr Blick wanderte zu seinem Kopf, der sich bewegte.

Und sollte das nicht auch etwas ganz normales zwischen Liebenden sein?’

Sein Mund öffnete und schloss sich ein paar mal, als würde er den Morgen kosten.

Aber wir sind immer so, oder? Wenn wir kuscheln oder uns küssen, bewegen sich seine Hände nie von meiner Hüfte oder meinem Rücken weg und ich selbst geh auch nicht weiter. Ich meine ich achte sogar darauf, dass meine Brust nicht zu viel Kontakt mit seiner hat. Und selbst nach all der Zeit, wann immer wir uns versehentlich an intimen Stellen berühren, dann werden wir immer noch rot und lassen die Berührung sofort enden...’

Er rührte sich.

Vielleicht könnten wir...’

Doch in dem Moment, in dem er anfing seine Augen zu öffnen, nahm sie schnell seine Hand von ihr weg.

Anscheinend nicht...’

„Guten Morgen“, begrüßte er sie mit einem Lächeln, dass sie nur schwach beantwortete.

„Morgen.“ Sie lehnte sich hinunter und küsste ihn, und versuchte ihre Gedanken zu vergessen.

„Weißt du was?“ Sie grinste, als sie mit der Hand über seine Wang fuhr und ein paar leichte Stoppeln spürte. „Ich denke du musst anfangen dich zu rasieren.“

„Hä?“ Er machte ihr ihre vorherige Bewegung nach. „Nun, ich wollte sowieso in die Stadt gehen. Ich denke ich kann dort nach einem Rasierer schauen.“

Sie runzelte die Stirn bei seiner Ankündigung. „Du bist in der letzten Zeit sehr oft in der Stadt. Was treibst du da überhaupt?“

Er lächelte nur, als er sich aufsetzte. „Das wirst du sehen, wenn alles fertig ist.“



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„Ein... Date?“

„Ja! Also, kommst du?“

„Nein! Was denkst du? Du kannst nicht erwarten, dass ein Mädchen mit dir zu einem Date geht, in dem Moment, in dem du sie fragst!“

„Oh... ich...“ Er ließ sichtlich den Kopf hängen; das scheue, hoffnungsvolle Lächeln, das er die ganze Zeit getragen hatte seit er sie aufsuchte, verschwand von einer zur anderen Sekunde.

„Du musst ihr zumindest Zeit geben um sich anzuziehen“, fügte Asuka schnell mit einem Lächeln hinzu. Sie lehnt sich zu ihm hinüber und gab ihm einen Schmatz auf die Backe.

Egal was auch passiert war, es machte noch immer Spaß ihn hin und wieder zu necken. Und wenn das Ergebnis davon war, dass er noch fröhlicher als vorher lächelte, dann war es umso besser.

Obwohl, sie hatte keine Ahnung, was er geplant hatte; das war es sicherlich, woran er gearbeitet hatte, wenn er in den letzten Tagen unterwegs war. Woran er für sie gearbeitet hatte.

Hatte er wirklich gedacht, dass seine Mühe zunichte machen würde? Als hätte sie nicht oft genug gezeigt, dass sie sich zumindest sosehr verändert hatte. Dieser dumme, kleine Baka...

„Ich bin sofort wieder da“, sagte sie ihm mit einem Zwinkern und rannte in ihr Zimmer.


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Das „sofort wieder da“ entpuppte sich als etwa eine Stunde. Und eigentlich sah er nicht wirklich einen Unterschied außer, dass sie sich ihr gelbes Lieblingskleid angezogen hatte. Nicht dass es ihn gestört hätte. Sie sah so bezaubernd aus wie immer.

Während der Autofahrt war Asuka aufgeregt wie ein kleines Kind, das auf einen Jahrmarkt ging; egal wie sehr sie versuchte das zu vertuschen.

Schließlich kamen sie an ihrer ersten Station an. Die Hälfte des Gebäudes, das scheinbar ein Kino gewesen war, war zerstört von einem großen Trümmerteil eines benachbarten Hauses. Abgesehen von dieser Zerstörung, war das das einzige das Shinji gefunden hatte, mit zumindest einem intakten Kinosaal, auch wenn sie dafür über einige verstreute Geröllbrocken klettern mussten (was von einer leicht genervten Asuka kommentiert wurde, ob er sie nun zu einem Date oder einem Abenteuer-Ausflug mitgenommen hat), um dort hin zu gelangen. Ein weiterer Pluspunkt war der Projektor, den er geschafft hatte (mit ein paar Änderungen) mit Autobatterien zum Laufen zu bringen, war ein neueres, digitales Model, das DVDs abspielen konnte. Das gab Shinji nicht nur die Möglichkeit einen romantischen Film von Zuhause mitzunehmen, sondern er würde nicht des Öfteren hochgehen müssen, um die Filmrollen zu wechseln. Auf diese Art würden sie den ganzen Film ohne Störungen sehen können.

Nicht dass sie viel von den Film mitbekommen hätten, da sie „anderweitig“ beschäftigt waren. Shinji konnte nicht anders, als an das Pärchen zu denken, dass er viele Monate zuvor im Kino gesehen hatte, auch wenn sie nicht so wild waren wie diese beiden. Trotzdem erinnerte er sich daran, dass er sich so sehr auch jemanden gewünscht hatte; jemand dem er so nahe sein konnte.

Wie es schien, würden manche Wünsche letzten Endes doch in Erfüllung gehen...


*********


„Ich denke, ich empfehle dieses Restaurant weiter. Das Essen ist klasse!“

Shinji lächelte verlegen. „Es macht dir nichts aus, dass ich es hier nur gewärmt habe? Es wäre viel besser gewesen, wenn ich es frisch zubereitet hätte...“

„Oh, komm schon,“ sagte Asuka teils stöhnend, teils bittend, während sie mit der vollen Gabel wedelte. „Das ist das beste, das du seit langem gemacht hast!“

„Danke...“, murmelte er, aber nicht ohne einen Hauch von Stolz, angesichts des Kompliments.

Da er nicht sehr viel aß, konnte er es nicht wirklich beurteilen. Er war zu sehr damit beschäftigt sie einfach anzusehen. Das gedämmte Kerzenlicht schien sie noch schöner zu machen, wie sie ihm dort gegenüber saß. Ihre strahlenden Augen reflektierten die kleine Flamme wann immer sie zu ihm aufsah. während sie ihre Gabel zu ihren reizvollen Lippen brachte...

Das Restaurant war ihre nächste Station gewesen. Es war noch gut erhalten, ohne sichtbare Schäden am Gebäude. Nur der Innenraum war ein wenig kaputt, als er es entdeckt hatte, aber es war kein Problem einen Tisch und zwei Stühle für sie zu finden. Weil er sie nicht alleine dort sitzen lassen wollte, während er kocht, hatte er das Essen bereits Zuhause zubereitet und benutzte den Gasofen, um es zu wärmen.

„Und auf was starrst du so?“

Ihr plötzlicher Ausruf brachte ihn in die Realität zurück.

„Äh... ich dachte nur wie wunderschön du in diesem Licht bist“, gestand er.

„Also denkst du, dass ich hässlich bin, wenn genug Licht ist, um richtig zu sehen?“, schmollte Asuka gespielt.

„Natürlich nicht!“, platze er heraus. Er ließ seine Schultern beschämt hängen. „Bin ich noch immer so schlecht darin, Komplimente zu geben?“

„Nein, aber wie es aussieht wirst du es nie lernen, wenn ich dich veralbere“, kicherte der Rotschopf, ein leichtes Rot tatsächlich noch immer auf ihren Wangen, bei genauerem Hinsehen. „Und überhaupt, du hast allen Grund mir Komplimente zu machen. Ich würde mich nicht so zurecht machen, wenn ich zu einem Date mit jemandem gehen würde, den ich nicht mag.“

„Ja, ich erinnere mich. Als du mit dem Typ ausgegangen bist, worum dich Hikari gebeten hatte, hattest du dieses hochgeschlossene grüne Kleid an.“

„Was? Willst du damit sagen, dass ich sonst wie eine Schlampe rumlaufe?“

„Äh... Nein! I-ich meine nur es war, äh... ungewohnt...“ Shinji versuchte nicht in Panik zu geraten. „Du scheinst nur eher... ähm... locker sitzende Kleidung zu bevorzugen, wie, naja, wie dieses gelbe Kleid.“ Er zeigte auf ihr Kleidungsstück. „Ich meine du scheinst es sehr zu mögen, oder?“

„Ja. Es war ein Geburtstagsgeschenk...“, sie schweifte ab und ihre Augen fixierten etwas in der Ferne. „...von Kaji...“

Shinji musste schlucken. Das war nicht die Richtung, in die dieses Gespräch laufen sollte.

„Hey, es ist... es ist okay. Ich verstehe dich. Er bedeutete mir auch schon sehr viel; er war mehr ein Vater für mich, als es mein eigener. Aber für dich... ich meine du kanntest ihn viel länger und warst ja auch in ihn verknallt...“

„Nein!“, wurde er streng unterbrochen. „Ich... ich war nicht einfach nur in ihn verknallt...“

„Huh?“ Er wurde plötzlich von einem Schock aus Angst und Enttäuschung getroffen. Meinte sie etwa...? Sie konnte nicht... oder etwa doch...? „Also bin ich doch nur ein Ersa...“

„Nein!“, schrie sie schnell. „Nein. Es war nicht dasselbe, wie zwischen uns. Es war...“ Sie seufzte, als sie nach den richtigen Worten suchte.

„Nachdem meine Mutter gestorben war, wurde ich praktisch von NERV aufgezogen. Trotz dass ich bei ihnen lebte, kümmerte sich mein Vater nicht wirklich um mich, und meine Stiefmutter ‚hatte fast Angst vor mir’ wie sie sagte. Deshalb war ich meistens in der Obhut von jemand bei NERV; und wurde von einem Vormund zum nächsten geschickt. Aber sie waren alle gleich; nur wenn ich gute Noten bekam oder besonders, wenn ich im Training gut war, wurde ich gelobt. Auch Misato war nicht viel besser...“

„Misato?“

„Ja, erinnerst du dich nicht daran? Sie war schon vorher einmal mein Vormund für eine Weile. Wenn ich zurückdenke, würde ich sagen, sie hatte wahrscheinlich noch immer ihre eigenen Probleme im Kopf. Aber ich schätze, diese Unterschiede in ihrem Verhalten von damals und dem, als ich zu euch kam, waren das, was mich denken ließ, dass sie dich bevorzugte.

Wie auch immer, was ich damit sagen wollte: auf der einen Seite behandelte mich keiner wie ein Kind, aber auf der anderen akzeptierten sie mich auch nicht als Erwachsene.
Und dann tauchte Kaji auf. Er war anders als die anderen; er schaute nicht auf mich herab, und genauso wenig versuchte er mir aus dem Weg zu gehen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass ich mich einfach loslassen konnte.

Und... naja... da war noch etwas anderes...“, fuhr Asuka mit einem schwachen, traurigen Lächeln fort. Trotz seiner ständigen Flirts, versuchte er nie etwas ernsthafteres mit irgendeinem Mädchen das er traf. Gerüchten zufolge hatte ihn seine Freundin nicht lange zuvor verlassen und nur eine ‚richtige Frau’ wie sie wäre in der Lage ihn sich zu angeln. Wenn er also mich gewählt hätte, dann wäre ich als Erwachsene angesehen worden, genauso, wie ich es immer wollte. Ich weiß, es klingt irgendwie dumm, aber ich mochte ihn richtig und dachte ohnehin nicht, dass ich jemand finden würde, der besser zu mir passen würde... naja, das war ein Gefühl, das seit langem Liebe am nächsten kam...“

Ein leichter Druck auf ihrer Hand ließ sie wieder aufschauen. Sie konnte nicht anders und musste sein Lächeln erwidern, das so verständnisvoll war. Es war kaum zu glauben, dass ihm vorgeworfen hatte, dass er sie niemals verstehen würde. Nun schien es so, als sei er der einzige, der verstehen konnte, was in ihrem Kopf vorging. Wer weiß, was passiert wäre, wenn sie es damals schon bemerkt hätte?

„Hey“, durchbrach er die Stille nach wenigen Augenblicken, „möchtest du tanzen?“


*********


Sanfte Klänge die von einem tragbaren CD-Spieler kamen, brachen einen langsamen Rhythmus hervor, zu dem sich die zwei Teenager eng aneinander geschmiegt über die Tanzfläche bewegten.

Asuka hatte ihre Augen geschlossen, ihr Kopf lag auf seinen Schultern und ihre Wangen streiften sich bei jeder Bewegung, die sie machten. Sie spürte den Boden des Restaurants nicht mehr. Es war, als würden sie auf Wolken tanzen und nur der Himmel und die Sterne waren über ihnen. Nichts außer ihnen.

Offenbar machte sie es recht deutlich, wie sehr sie es genoss, als er seine Lippen nah an ihr Ohr brachte.

„Was ist mit dem Mädchen passiert, das immer gesagt hat, dass sie soetwas nicht brauchen würde?“, flüsterte er.

„Oh, ich habe nie gesagt, dass ich das brauchen würde“, erklärte sie flach, und grinste aufgrund seines schockierten Keuchens bei dieser Aussage. „Aber es ist ein Bonus, den ich für nichts missen möchte...“

Er entspannte sich sofort, aber sie versteifte sich im Gegenzug, als ihr verschiedene Gedanken kamen.

„Ernsthaft, zu denken, dass all das vielleicht nie passiert wäre... Dass ich nie in der Lage gewesen wäre so zu empfinden...“ Es schüttelte sie bei diesem Gedanken. „Hast du je darüber nachgedacht? Dass der einzige Grund, warum wir uns nähergekommen sind, der ist, dass wir die einzigen hier sind? Dass diese Gefühle füreinander niemals so stark geworden wären, wenn wir nicht die ganze Zeit zusammen wären? Dass wir uns schließlich gar für jemand anderen entschieden hätten, wenn wir die Wahl gehabt hätten?“

Die Antwort kam fast augenblicklich. „Nein...“

Ihr Lächeln kam langsam zurück, als sie Ihren Kopf wieder auf ihn legte. „Gut...“

Nach einer Zeit begann die Musik auszugehen.

Keiner von ihnen bemerkte es...


*********


Es war schwer zu sagen, aber es war bestimmt schon nach Mitternacht, als sie wieder zu Hause ankamen. Aber früher oder später muss auch so ein Tag einmal zu Ende gehen.

„Danke für diesen Abend, Shinji. Das... ich denke, das war das romantischste, das irgendjemand je für mich gemacht hat...“

„Das... das war garni...“ Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, da sie schnell seinen Mund mit ihrem schloss.

Es war die Wahrheit, es war der romantischste Abend gewesen, den sie sich vorstellen konnte. Sie konnte nicht sagen, ob es schon damals mit ihrem Sync-Training angefangen hatte, oder ob er wirklich in den letzten Monaten gelernt hatte sie zu verstehen, aber er schien immer zu wissen, was sie mochte, auch wenn sie es selbst nicht einmal wusste. Sie waren sich so nah, wie sie nur sein konnten...

Waren sie?

Nein... Da war noch immer etwas zwischen ihnen. Es war offensichtlich bei diesen zögerlichen Berührungen wie diesen gerade.

Scham. Schüchternheit. Eine letzte Grenze, die die vielleicht angekratzt war aber noch immer weit entfernt davon zu fallen. Eine letzte Grenze die noch überschritten werden müsste, damit sie wahrlich zusammen sein könnten.

Und jetzt schien die perfekte Gelegenheit zu sein.

„Hey, Shinji“, gurrte Asuka. „Willst du... Möchtest du noch einen Kaffee?“

„Huch? Was meinst du?“ Er blinzelte verwundert. „Ist es nicht ein wenig spät für Kaff...“ Ein Keuchen entwich ihm und lies sie sogar los und taumelte nach hinten in seinem Schock, als er sich daran erinnerte, wo er das schon einmal gehört hatte.

„D-d-du... meinst...? I-ich... meine, du... ich meine... das ist ein bisschen plötzlich, weißt du? A-also, ich... wir ich meine, w-wir habe ja noch nicht mal... äh... ‚rum gemacht’ vorher oder sowas...“

„I-ich weiß“, gestand Asuka errötend, als die Schmetterlinge in ihrem Bauch mehr und mehr Freunde einluden, um wild herumzuflattern. „Und das ist genau der Punkt! Was für eine Beziehung sollen wir führen, wenn wir sogar Angst davor haben uns an den ‚falschen’ Stelle zu berühren?“ Sanft legte sie ihre Hand auf seine Wange und schaute in seine tief blauen Augen; nicht nur um dem Gesagten Nachdruck zu verleihen, dass sie es wirklich ernst meinte, sondern auch um sich selbst zu versichern, dass sie das, was sie vorhatte, niemals bereuen würde.

„Shinji, ich liebe dich! Und ich will das in jeder Form ausdrücken, in der ich es möchte. Und ich will, dass du das gleiche tust. Aber wenn wir so weitermachen wie bisher, dann erreichen wir vielleicht nie diesen Punkt. Deswegen will ich das. Wir könnten die letzten Hindernisse mit einem Schlag aus dem Weg räumen...“

„B-bist du dir sicher?“ flüsterte er noch einmal.

Ihre Antwort war ein kleines, schüchternes Nicken, ohne den Augenkontakt zu brechen. Ihre Hände fanden halt an seinen Schultern, während er, ein wenig zögernd, seine Hände auf ihre Hüften legte, und sie näher an sich heranzog. Ihre Lippen trafen sich in einem Kuss; kein wirklich leidenschaftlicher, aber ein eher sanfter, ehrlicher Kuss, in dem sie ihre Liebe und die Sorge um den anderen zeigten, genauso wie ein wenig Angst, vor dem was sie im Begriff waren zu tun, aber noch vielmehr als Bestätigung, dafür, dass sie es beide von Herzen wollten. Während sie diesen sanften Kuss immer und immer wieder wiederholten, zogen sie sich langsam in Asukas Zimmer zurück.



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Die Sonne erfüllte den Raum, als Asuka mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht aufwachte. Es verschwand ein wenig, als sie bemerkte, dass Shinji nicht mehr da war. Aber der Geruch, der in der Luft lag, verriet ihr, dass er schon in der Küche war und das Frühstück machte.

Nachdem sie ihre müden Knochen gestreckt hatte, stand sie auf und nahm sich ein weites Hemd aus dem Schrank. Während sie sich ein paar Haare aus dem Gesicht strich, dachte sie für eine Sekunde darüber nach ihre Interface-Haar-Spange zu nehmen. Aber dann erinnerte sie sich, dass sie sie schon seit längerem nicht gesehen hatte. In letzter Zeit hatte sie entweder Schleifen benutzt um ihre Mähne im Zaum zu halten oder sie einfach offen gelassen, wie sie es nun auch tat.

Still ging sie in die Küche. Sie hatte recht; da stand er und war mit dem Ofen beschäftigt. Weil er ihr den Rücken zugewendet hatte, schlich sie sich auf Zehenspitzen an ihn heran.

Er war einen Moment überrascht, als er plötzlich ihre Arme um seine Brust spürte, wodurch sie sich so nah an ihn heranzog wie es nur ging, aber er entspannte sich sofort wieder.

„Morgen, Lover“, beruhigte Asuka, und küsste ihn auf die Wange.

„Morgen Asuka. Ich muss sagen, ich hab nicht erwartet, dass du so früh auf stehst. Ich wollte dich mit einem Frühstück im Bett überraschen.“

„Mmm, das ist egal“, versicherte sie, und kuschelte ihren Kopf an seine Schulter. „Es ist hier doch auch gemütlich.“

Er lächelte ein wenig in sich hinein. „Naja ich bin gleich fertig; ich muss nurnoch den Kaffee filtern...“

„Kaffee?“ Sie betrachtete ihn. „Auf den Geschmack gekommen?“, zog sie ihn auf.

„Naja... ich... könnte mich daran gewöhnen...“

„Ich verstehe...“, grinste sie. „Also hat es meinem Baka-hentai gefallen, hä?“

„Ich... äh...“

„Hey“, sagte sie sanft und drehte seinen Kopf und küsste ihn zärtlich. „Du bist nicht der einzige.“

Lächelnd drehte er sich nun ganz zu ihr um und legte seine Arme um sie. Aber als er sich zu ihr hinüber beugen wollte um sie zu küssen, wurde er von ihrem ernsten Gesicht gestoppt.

„Aber denk bloß nicht, dass das jetzt zu einer Art wöchentlicher Routine wird!“, warnte sie ihn. Doch so schnell wie dieser ernste Ausdruck kam verschwand er auch wieder bei seinem geschockten Anblick. Grinsend lehnte sie sich zu ihm hinüber und flüsterte ihm ins Ohr: „... eher zu einer täglichen...“

Seine Augen weiteten sich bei dieser Aussage. „Wa...? Äh... Jetzt?“

„Entspann dich!“, kicherte Asuka. „Es war nur ein Spaß“, versicherte sie und lehnte sich seufzend wieder an ihn. „Trotzdem... es war... ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Großartig? Wundervoll? Unglaublich? Ich bin nicht sicher, ob das richtig passt...“

„Also, was ist aus ‚ekelhaft’ geworden?“

Sie verzog das Gesicht. „Ich weiß nicht. Ich denke ich mochte nur den Gedanken nicht, dass die Leute ‚es’ tun nur um es getan zu haben. Du weißt schon, nur der Akt, ohne dass da mehr dahintersteckt und dann machen sie es nur, um genau das zu überdecken. Und“, sie wurde leicht rot, „nun, vielleicht weil ich es nicht subjektiv Beurteilen konnte. Aber ich denke, dass das jetzt sowieso keine Rolle mehr spielt...“

„Nicht wirklich...“

ihre Lippen trafen sich wieder; der Kuss wurde von Sekunde zu Sekunde die er dauerte leidenschaftlicher.

Es dauerte nicht lange, dass der „Witz“ vergessen war...




****************************




Der Ort hatte sich kaum verändert, seit sie das letzte Mal dort gewesen waren. Das Meer hatte noch immer eine schauerlich rote Färbung. Die sichtbare Hälfte des weißen Kopfes, der der riesigen Rei gehörte, schien vom Laufe der Zeit auch nicht beeinflusst zu werden; zumindest nicht aus der Ferne. Und da waren noch die Körper der zwei verstörenden Serien-EVAs, die wie eine gekreuzigte Verspottung des christlichen Symbols dort herum standen. Einer der Pfäle, der neben dem mit Misatos Kreuz, war umgefallen und von Shinji wieder aufgestellt worden.

Asuka beobachtete ihn, wie er vor ihnen kniete, bevor sie ihren Blick finster auf das offene Meer richtete. Er wollte ein wenig allein sein, also hatte sie sich etwas elend ein paar Meter hinter ihm in den Sand gesetzt. Ob es das windige, triste Wetter an diesem Tag, oder der Ort an sich war; sie wäre froh sobald sie wieder nach Hause fahren würden. Auch wenn sie verstehen konnte, warum er hierher kommen wollte, musste sie es nicht mögen.

Die plötzliche Berührung an ihrer Schulter erschreckte sie, und brachte sie aus ihrer Trance zurück.

„Hey“, sagte Shinji sanft, als er sich hinter seine Liebste setzte und seine Arme um sie legte. „Willst du nicht gehen? Mit ihnen reden?“

„Nein...“, sie schüttelte ihren Kopf, „ich kann nicht...“

„Na gut, du musst ja nicht“, er versuchte überzeugend zu klingen, aber da war ein Anflug von Enttäuschung in seiner Stimme

Asuka stieß einen tiefen Seufzer aus. „Das... Das ist alles meine Schuld, nicht wahr?“

„Hä?“ Ihr Schuldgefühl überraschte ihn offensichtlich. „Was denn?“

„Dass wir alleine sind!“ schrie sie das Offensichtliche aus. „Dass keiner zurückkommen kann!“

Sie hatte oft über die Gründe nachgedacht, warum nur sie zwei zurückgekehrt waren, aber sie hatte die Lösung die dabei herauskam entweder ignoriert oder verdrängt. Jedoch hatte sie nicht mal selbst realisiert, wie schwer dies auf ihrem Gewissen lastete, bis jetzt, wo sie wieder mit dieser Ansicht konfrontiert war - und damit mit den Erinnerungen an jenen Tag.

Shinji entging allerdings offenbar das Offensichtliche. „Wie kommst du darauf?“

„Erinnerst du dich nicht? ‚Wenn ich dich nicht für mich alleine haben kann, dann will ich dich überhaupt nicht!’ Aber... zumindest ein Teil von mir hat dich gewollt...“ Der letzte Teil kam nur wie ein Flüstern. „Also wenn das alles eine Fehleinschätzung von... ihr war? Du verstehst? ‚Wenn ich dich will, dann will ich dich für mich alleine haben!’ Aber ich habe es nicht so gemeint! Nicht so!“

„Das... das ist nicht wahr, Asuka“, versuchte Shinji sie zu beruhigen und war überraschend Erfolgreich, als er noch enger in eine tröstende Umarmung zog. Aber die Traurigkeit in seiner Stimme machte ihr deutlich, dass auch er die Last, die ihm an diesem schicksalhaften Tag auf die Schultern geladen wurde, noch nicht verloren hatte. „Ich weiß nicht, warum niemand sonst zurück kam, aber es ist nicht deine Schuld. Mutter, Rei, sie haben mir gesagt, dass jeder zurückkommen kann, wenn er den Willen dazu hat. Es ist nicht deine Schuld, wenn sie dieses falsche Glück da drin bevorzugen...“

„Bist du dir sicher?“ Sie drehte ihren Kopf um ihn freigebig lächeln zu sehen.

„Warum fragst du sie nicht selbst?“


***********


„Äh... hallo...?“

Asuka seufzte als sie keine Antwort vom Meer bekam.

„Oh, das muss das dümmste sein, was ich je getan habe“, murmelte sie, mit sich selbst schimpfend. Aber dann holte sie tief Luft und brachte ihren Blick wieder auf den roten Ozean

„Ich bin überhaupt nicht sicher, was ich sagen soll... Ich weiß ich bin nie gut mit euch klar gekommen.

Trotzdem... ich... ich vermisse viele von euch. Ich vermisse Misatos fröhliche Art oder mit ihr Witze über Jungs zu machen; manchmal sogar ihre Art wie sie die ganze Nachbarschaft aufweckte.
Ich vermisse Hikari und mit ihr zu reden. Wenn wir zusammen waren, konnte ich mich wie ein normales Mädchen fühlen; mit einer Freundin zu plaudern und Spaß mit ihr zu haben. Und in den letzten Monaten ist soviel passiert, worüber ich mit dir hätte reden wollen.
Ich vermisse sogar Shinjis dumme Freunde, weil sie zumindest gute Punchingbälle waren; und selbst F- Ayanami weil sie... naja... da war!
Kaji, ich weiß nicht, ob du da drin bist. Aber ich möchte dir danken, dass du immer mit mir fertig geworden bist, egal wie nervig ich war. Du warst der erste, den ich meinen Freund nennen konnte, wenn nicht sogar mehr...
Mama... es... es tut mir Leid, dass nicht daran geglaubt habe, dass du dich um mich gekümmert hast. Ich verstehe jetzt, dass du immer für mich da warst - und auch bist - selbst wenn ich dich nicht hören oder sehen konnte; dass du immer das Beste für mich wolltest, dass du wolltest, dass es mir gut geht und ich glücklich bin. Ich will dich... und jeden dem es etwas bedeuten könnte wissen lassen... das Leben hier, auch wenn es hart und belastend ist... macht es... macht es mich glücklich. Ich habe jemanden gefunden, der mit mir zusammen sein will; der mich sogar liebt. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich jemals so glücklich war wie jetzt.“

Eine leise Träne berührte ihre nach oben gekrümmten Lippen. „Naja das ist alles, was mir gerade einfällt.“

Als sie den letzten Satz beendete, schaute sie wieder auf und lächelte. Sie fühlte sich irgendwie befreit; so als ob zumindest ein Teil der Last, die sie schon zu lange mit sich herum getragen hatte, endlich von ihren Schultern genommen wurde; so wie die Wolken der Sonne platz machen.


***********


Als sie zu Shinji zurückkam, setzte sich Asuka wortlos hin und kuschelte sich an ihn. Lächelnd legte sie ihren Kopf auf seine Brust, als sie merkte, dass er seine Arme um sie legte; und sanft ihren Rücken streichelte. So saßen sie einen Moment lang da; ohne ein Wort zu sagen, nur die Nähe genießend.

„Asuka, ich habe mich gefragt, ...“, durchbrach Shinji letztlich die Stille.

„Hmm?“

„Wenn das alles nicht passiert wäre, glaubst du... du hättest... hättest du mich eines Tages geheiratet?“

Überrascht, setzte sie sich hin.

„Wa-was?“ Das kam nun sehr überraschend. Aber er schien seltsam ernst zu sein. Was dachte er sich nur? „Ich... ich weiß es nicht. Ich meine, wenn das alles nicht passiert wäre, wer weiß, ob wir dann überhaupt so zusammen gekommen wären. „Aber wenn es... wenn wir die Möglichkeit gehabt hätten... ich... weiß nicht... ich bin nicht gerade der Hausfrauen-typ... und ich wollte nie so enden... aber...“

Leicht errötet wandte sie ihren Blich von ihm ab. Sie hatte nie wirklich darüber nachgedacht. Heiraten - das schien ihr immer so ein veraltetes, überflüssiges Ritual zu sein. Aber jetzt fand sie sich auf einmal dabei, sich auszumalen, wie sie in einem weißen Kleid aussehen würde, mit ihm an seiner Seite; ihre Freunde ihnen zusahen, wie sie ihre Gelübde ablegten für immer des anderen zu sein; ihnen zujubelten, wie sie dieses Versprechen mit einem Kuss besiegelten.

Ein wohliger Schauer lief ihr über den Rücken, als sie sich fragte, wie es sein würde, ihn als ihren Mann zu haben. Seine Frau zu sein...

„Vielleicht... ja...“

Sie keuchte vor Überraschung und drehte sich wieder zu ihm, als er zärtlich ihre Hand nahm und ihr etwas an den Finger steckte.

„Ich habe ihn gefunden, als ich neulich in den Ruinen war, in den Überresten von dem, was wohl mal ein Juweliergeschäft war,“ erklärte Shinji. „Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, ihn dir bei unserem Date zu geben, aber da hab ich mich noch nicht so ganz dazu überwinden können. Ich weiß, er hat nicht genau deine Größe und er ist ein bisschen kaputt, aber trotzdem... Viel-vielleicht bekommen wir ja unsere Chance...“

Asuka war sprachlos. Es stimmte, der Ring war ein wenig zu weit für ihren Finger und ein Stück des roten Edelsteins war abgesplittert, aber das störte sie nicht. Sicher, es war nur ein Symbol für etwas, das hätte sein können... oder hatte er noch immer die Hoffnung, dass selbst nachdem es nun fast ein Jahr her war, Leute zurückkommen würden? Dass sie schließlich in der Lage wären ein normales Leben zu führen?

„Du bist hoffnungslos, weißt du das?“

„Äh? Ich dachte, ich beweise gerade ein bisschen Hoffnung...?“

„Nein“, kicherte sie und zog ihn in eine enge Umarmung. „Ich meinte du bist ein hoffnungsloser Romantiker...“

„Oh... Naja, das war ja noch gar nichts...“

Ein bisschen überrascht schaute sie zu ihm auf, aber er machte nicht den Eindruck, als würde er noch etwas verraten.




****************************




Asuka lächelte zu sich selbst, als sie die Tür öffnete und die Morgensonne begrüßte. Die letzten Wochen waren eine wahre Wonne. Sie hätte nie gedacht, dass sich Menschen so nahe sein konnten - ohne eine gemeinsame Pfütze Matsch zu bilden - so wie sie es nun mit Shinji war. Nachdem sie ihre Differenzen und Ängste bei Seite gelegt hatten und vor kurzem den letzten großen Schritt in ihrer Beziehung genommen hatten, gab es nichts mehr, was zwischen ihnen stand; keine Barriere aus Hass, Schmerz und Scham gab es noch um sie auseinander zu halten, weder mental noch physisch.

Asukas Grinsen wurde sogar noch breiter bei dem letzten Gedanken. Ja, sie wagten definitiv mit jedem Mal mehr seit der Nacht nach ihrem Date. Und sie musste zugeben, dass ihr ihre ‚Erforschungen’ wirklich Spaß machten. Aber was noch wichtiger war, sie fühlte sich frei. Frei von allem, was ihren Geist belasten könnte; frei von allen möglichen dunklen Plätze, die in ihrer Seele wohnen könnten. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie jemals so unbeschwert leben konnte; wenn sie überhaupt je dazu fähig gewesen ist.

Sie holte sich eine Handvoll Getreide aus dem Speicher und ging zum Hühnerstall. Nachdem sie es verstreut hatte, schaute sie den zwei Hennen zu die es hungrig aufpickten, während sie sich auf den selbstgemachten Zaun legte mit einem verträumten Blich auch ihrem Gesicht.

Ja, die zwei waren glücklich. Die hatten schon immer so ein sorgenfreies Leben wie jetzt; nur essen, schlafen... und hin und wieder mal ein Ei legen.

Sie lachte leise bei diesem irgendwie komischen Vergleich.

Als sie ging um nach dem Gewächshaus zu sehen, sah sie, dass noch eine ‚Barrikade’ verschwunden war. Shinji hatte ein Teil des Gewächshauses vor einiger zeit mit großen Holztafeln abgetrennt; und sie ausdrücklich angewiesen nicht dahinter zu schauen, weil es etwas war, was er für eine Überraschung bräuchte. Aber das war nun verschwunden und dahinter alles leer.

Beinahe. Da lag noch etwas in der Ecke unter dem Tisch. Neugierig kniete sich Asuka hin, um es genauer betrachten zu können.

Eine Rose? Wofür könnte er die gezüchtet haben?




****************************




„Komm schon Shinji, sag mir, wo wir hinfahren?“

„Das wirst du schon sehen.“ Auch wenn sie nichts sehen konnte, konnte sie ihn fast lächeln hören.

„Sehen? Mit dieser Augenbinde?“ Sie grinste und legte den Kopf auf seine Schulter, was ihn ein bisschen überraschte. „Sag, hat mein baka-hentai was Perverses mit seiner Lieblingsgeliebten vor?“

„Wa..? Äh... naja, das wirst du sehen wenn wir da sind.“

Sie wollte sich gerade wieder beschweren, aber in dem Moment stoppte Shinji den Wagen. Das bedeutete sie konnte einen Blick riskieren...

„Nicht gucken!“, protestierte er sofort als er klar bemerkte, dass sie ihre Finger zu dem Stofftuch hob, das ihr die Augen verband.

„Okay, okay“, brummte Asuka gespielt.

Sie hörte, wie Shinji ausstieg und ein Moment später ihre Tür geöffnet wurde. Er nahm sanft ihre Hand und führte sie heraus. Sie spürte einen weichen, instabilen Boden unter ihren Füßen.

Sand? Das Geräusch von Wellen, die an der Küste zusammenschlagen?

„Wo sind wir...?“

„Schh...“ Er legte einen Finger auf ihre Lippen. „Nur einen Moment...“

Er ging zurück zum Auto und ließ sie verwundert stehen. Was hatte er geplant? Sie hatte nichts gegen eine kleine „Trainingsstunde“ am Strand einzuwenden gehabt, aber seine Reaktion vorhin schien dem zu widersprechen.

Bevor sie zu Ende denken konnte, war er zurück. Seine Hände fuhren durch ihr Haar und ordneten die losen Strähnen und befestigten sie mit etwas in einer gewohnten Art.

„Du weißt also nicht wo sie sind, ja?“ Sie grinste, als sie das allzu bekannte klicken ihrer Hair-clips hörte.

„Naja, ich musste sie ein wenig... modifizieren.“

Modifizieren?

Überrascht griff sie hoch um mit ihren Fingern einen dünnen, seidigen Stoff zu spüren.

„Was...?“ Ihr blieb die Luft weg, als Shinji ihr die Augenbinde abnahm und sie die Augen öffnete. Sie waren wirklich am Stand, aber an einem Platz von dem aus weder der gigantische Kopf von Rei, noch die verstümmelten Überreste der Serien-EVAs zu sehen waren. Auch die vereinzelten Trümmer waren entfernt worden. Stattdessen war da eine Art Bogen, in den Rosen eingeflochten waren. Die untergehende Sonnte tauchte die ganze Szenerie in rotes und oranges Licht.

„Naja, i-ich dachte, wir bräuchten etwas, das wir als... Altar oder so benutzen könnten“, sagte Shinji auf ihre offensichtlich fragenden Blicke. Aber sein Auftreten erleichterte die Überraschung auch nicht wirklich, eher im Gegenteil. So üblich wie es gewesen war, waren das weiße Hemd und die schwarze Hose, die seine Schuluniform ausgemacht hatten, nun vielleicht die vornehmsten Sachen, die er hatte.

„Altar...? Wa...?“

„I-ich weiß es ist nicht wirklich real... Nur etwas Symbolisches... Aber... ich meine letzten Endes ist es so real wie wir es wollen.“

Sie brachte noch immer keinen Ton heraus. Ihre Gedanken rasten. Noch niemals zuvor wusste sie so genau was passierte, und war sich zugleich so unsicher. Als sie nicht antwortete, fuhr er fort.

„E-es könnte ein bisschen früh sein. Aber, naja, da wie eh zusammen sind... und seit du gesagt hast, dass du willst... dachte ich: ‚Warum warten?’“

Ihre Augen wanderten zu dem Ring an ihrem Finger. Es bestand kein Zweifel mehr. Trotz all ihrer Disziplin, spürte sie, wie ihre Augen feucht wurden. Mit einer Zitternden Hand vor ihrem Mund, so als wollte sie die Luft behalten, folgte sie nur teilweise seinem Blick über das Meer.

„Ich habe diesen Platz ausgewählt, weil jeder hier ist, den wir kennen und lieben; die ganze Welt kann unser Zeuge sein...“ Er drehte sich zu ihr um mit einem scheuen Lächeln auf seinen Lippen und streckte ihr eine zitternde Hand entgegen. „Also...?“

„Baka“, platzte sie heraus mit einem zittrigen Lächeln, als sie es nicht mehr zurückhalten konnte; ihre Stimme fing an zu versagen. „Was-was habe ich dir übers Anziehen gesagt? Ich meine, schau mich an: ich stehe hier mit einem alten Top und Shorts...“ Sie hörte mit ihren gedankenlosen Vorwürfen auf, als er einen Finger auf ihre Lippen legte und ihre Hand in seine andere nahm.

„Nein“, sagte er und schüttelte den Kopf. „Es macht nichts. Was auch immer du trägst, du bist das wunderschönste Wesen, dass ich mir jemals vorstellen könnte.“ Dann, als sie ihn anlächelte, zog er sie sanft zu dem selbstgebauten Bogen und hielt ihre Hand nah an seiner Brust, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen.

„Asuka“, fing Shinji an, nach einem tiefen Atemzug. „Als ich dich zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich nicht, was ich von diesem wunderschönen, heißblütigen Mädchen vor mir halten soll. Du warst wie niemand den ich bis dahin kannte; Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen sollte. Ich war daran gewöhnt, dass mich die Leute nicht sehr mochten, aber niemand hat jemals, naja... mich angeschrieen, weil ich wie immer war. Trotzdem habe ich mich während unseres Synch-Trainings mehr oder weniger daran gewöhnt und ich habe wirklich angefangen das Zusammenleben mit dem feurigen Rotschopf zu mögen, auch wenn sie mir es oft schwer gemacht hat mit ihren Sticheleien. Schließlich ist es nicht gerade fair, wenn einem jemand ihr gutes Aussehen jede Sekunde wortwörtlich unter die Nase reibt und dann im nächsten Moment dafür von ihr angeschrieen wird weil man sie angesehen hat.“ Er zeigte ein schwaches Grinsen, bevor er genug Kraft gesammelt hatte um weiter zu machen.

„Es wäre gelogen zu sagen, dass mich dein Aussehen nicht fasziniert hätte, aber noch vielmehr habe ich immer deine Stärke bewundert, deinen Mut und dass es immer schien, als könntest du dich allem stellen was dir im Weg war.
Aber es gab auch Zeiten, in denen ich hinter die Fassade sehen konnte; dass da in der Tat etwas unter der harten Schale war. Ich denke das war es, warum ich mich ursprünglich in dich verliebt habe: Auf der einen Seite war da das zerbrechliche Kind, das den Wunsch hervorbrachte, sie vor all dem Schmerz in der Welt zu beschützen, auf der anderen war da dieses starke, feurige Mädchen, das mir die Führung geben konnte, die ich brauchte.
Du warst mein Anker; meine Konstante auf die ich immer vertrauen konnte, in meinen schlechtesten und besten Zeiten. Und dafür liebe ich dich.
Deswegen will ich, Shinji Ikari, dich, Asuka Langley Soryu, zu meiner Frau nehmen; um für immer an deiner Seite zu leben.“

„Du... du bist gemein, weißt du das?“, versuchte sie ihn zu schimpfen aber sowohl ihre Stimme wie auch ihr Gesichtsausdruck betrogen sie. „Du hattest so viel Zeit wie nötig, um so eine Rede vorzubereiten und ich muss mir in wenigen Sekunden was überlegen.“

„Du musst nicht...“

„Shinji“, unterbrach sie ihn lächelnd. „Am Anfang habe ich dich nur als einen weiteren schwachen Jungen gesehen, der nur scharf auf meinen Körper war. Das gute war, dass du schwach genug warst, dass ich dich damit aufziehen konnte“, kicherte sie. „Wie auch immer, mit der Zeit habe ich wirklich angefangen diesen sanften, schüchternen Jungen zu mögen; wenn nur seine ständigen Entschuldigungen nicht so verdammt nervend gewesen wären.“ Beide lachten leise, aber Asukas Gesicht wurde wieder ernster.

„Aber du warst mein Rivale; und du wurdest schließlich eine ernste Bedrohung für alles was mich ausmachte. Wie könnte ich so jemand mögen oder sogar lieben? Wie konnte ich von jemand der scheinbar genauso schwach war wie ich erwarten, dass er für mich da wäre? Tief drinnen, da habe ich es vielleicht getan, aber das hat mich nicht davon abgehalten Dinge zu tun und Sachen zu sagen, von denen ich mir wünschte, dass ich es niemals getan hätte, weil sie uns beiden Schmerzen bereitet haben. Doch, trotz allem was ich getan habe, hast du dich vielleicht mal zurückgezogen und mich aufgeben wollen, aber am Ende hast du es nicht getan. Du bist immer zurückgekommen.
Vielleicht ist das der Grund, warum ich dir nicht glaubte. Normalerweise lies mich jeder nach einer Weile allein. Aber, sogar als ich dich fast angefleht habe mich zu verlassen, als wir das erste Mal über den Impact sprachen, hast du es nicht getan. Du hast mir gezeigt, dass du alles für mich tun würdest; dass du mir helfen würdest, wenn ich es brauche; dass du mich sogar halten würdest.
Das war der Zeitpunkt, an dem ich mir sicher war, dass ich mir endlich erlauben konnte, dich zu lieben. Und das habe und werde ich, solange ich denken kann.
Und deshalb nehme ich, Asuka Langley Soryu, dich, Shinji Ikari, zu meinem Ehemann.“

„Damit ernenne ich uns...“, begann Shinji, in dessen Gesicht sich sichtbar das Glück widerspiegelte, das sie in sich verspürte.

„... zu Mann...“, fuhr Asuka fort; während sich ihre Lippen einander näherten.

„... und Frau.“
... näher...

„Sie dürfen...“
... näher...

„... die Braut...“
... näher...

„... jetzt küssen.“
... Berührung.


Sie haben sich nie daran erinnert, wie lange sie dastanden und sich küssten; während die letzten Sonnenstrahlen auf die Erde fielen und nur die Sterne und das Meer blieben um die beiden Wesen zu beobachten, die das wertvollste in dieser Welt miteinander teilten.

Ihre Liebe...









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!OMAKE-ENDING!


Als sie sich endlich von einander trennten, veränderte sich Asukas zufriedenes Lächeln in ein schelmisches Grinsen.

„Also gut, Mr. Soryu“, gurrte sie, als sie ihre Arme um seinen Hals legte, „Ich schätze, es ist nun Zeit für unsere Flitterwochen!“

„Wa... jetzt!? Hier?!?!

„Naja, das ist das Gute daran, wenn man ganz alleine auf der Welt ist. Du kannst es tun wo immer du willst, ohne Gefahr zu laufen, von jemand gesehen zu werden!“

„Abe...“ Mehr konnte er nicht sagen, als sie ihr ganzes Gewicht auf ihn legte und ihn so auf den Boden drückte...

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